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Haben die deutsch-polnischen Beziehungen eine Zukunft?

Die politischen Beziehungen zwischen Polen und Deutschen befinden sich in einem schlechten Zustand wie seit Jahren nicht. So wird das auch von den Leuten gesehen, wie die neusten Umfragen des polnischen Zentrums für Meinungsumfragen (CBOS) zeigen. Dazu haben viele Ursachen beigetragen. Zum einen hat die völlige Neuausrichtung der Politik Warschaus gegenüber den westlichen Partnern einschließlich Deutschlands darauf ihren Einfluss, aber auch die politische Situation in Europa insgesamt. Die aus Brüssel oder Straßburg lautwerdende Kritik wird von der polnischen Regierung als Einmischung der „europäischen Eliten“ in die inneren Angelegenheiten Polens abgetan. Diese Abwehr von Kritik nimmt durchaus groteske Formen an, wie im Falle der Holzeinschläge im naturgeschützten Białowieska-Urwald. Die Regierung ist sich anscheinend dessen nicht bewusst, dass Polen seit mehr als zehn Jahren Mitglied der EU ist, daher konkrete Verpflichtungen übernommen hat und – ganz wie andere Mitgliedstaaten auch – von den übrigen Partnern sehr wohl beurteilt werden darf.

 

Die schwierige und unübersichtliche Lage in Europa trägt direkt dazu bei, die antidemokratischen und populistischen Positionen und Aktivitäten in Polen zu stärken. Dass die europäischen Institutionen die Aufkündigung rechtsstaatlicher Prinzipien durch die polnische Regierung brandmarken, wird in Polen nicht ohne weiteres als gerechtfertigte und normale Reaktion innerhalb des europäischen Klubs wahrgenommen. Bei der in Polen zur Zeit allgegenwärtigen Parole, „sich von den Knien zu erheben“ und „auf gleicher Augenhöhe mit den ausländischen Partnern zu stehen“, haben sich die Beziehungen zur Europäischen Union verschlechtert.

© istock/Racide

Die neue außenpolitische Orientierung Warschaus hat auch das deutsch-polnische Verhältnis merklich abkühlen lassen. Auch wenn die Politiker mit ihren wahren Ansichten hinter dem Berg halten, gibt es doch keinen Zweifel, dass faktisch ein Konflikt zwischen Polen und Deutschland besteht, der sich zur wohl tiefsten Krise der bilateralen Beziehungen seit 1989 auswächst.

 

Das ist auch für viele Polen nicht zu übersehen, wie von der Meinungsumfrage von CBOS bestätigt, die am 24. November veröffentlicht wurde. Noch auf einen weiteren Punkt weist diese Umfrage hin, der ziemlich überraschen muss, wo doch ständig dazu aufgerufen wird, die „Politik der Scham“ endlich aufzugeben. Die Befragten machen nämlich Warschau für den Stand der Dinge verantwortlich. Wie wird das Regierungslager auf diese Äußerungen reagieren?

 

Vor unseren Augen wird das in Jahrzehnten mühselig Erreichte nicht allein in Frage gestellt, sondern mit offenen Händen verschleudert. Die unbezweifelbaren Verdienste der Wenigen werden negiert, die den Mut hatten, sich seit den fünfziger Jahren des 20. Jahrhunderts für Versöhnung und Verständnis zwischen Polen und Deutschen einzusetzen. Auch wird der Anteil in Zweifel gezogen, den Millionen Bürger an diesem Prozess hatten, indem sie auf vielen Ebenen ein dichtes Netz von Kontakten aufgebaut und sich kennengelernt, angefreundet, miteinander gearbeitet und Geschäfte betrieben haben.

 

Natürlich ist die Geschichte, sind das historische Wissen und die Erinnerung wichtig. Deutschland ist ein mächtiger Nachbar, von dem die Polen oftmals Gewalt und hegemoniale Herrschaft erfahren haben. Die Wunden brauchten Jahrzehnte, um zu verheilen, einige sind nie richtig vernarbt. Ganze Generationen von Polen lebten im Schatten der Unwissenheit, oft geschickt angestachelt durch eine Propaganda der Angst und Feindschaft gegen die Deutschen.

 

Indem man so eilfertig, um nicht zu sagen leichtfertig, den Zustand der deutsch-polnischen Beziehungen kritisiert, bemängelt und untergräbt, geraten jene Anfänge heute schnell in Vergessenheit. Ebenso der damalige Wunsch nach einer normalen, sicheren Nachbarschaft. Anfang der neunziger Jahre sollte uns die Interessengemeinschaft zweier demokratischer Staaten zusammenführen; dies war eine Konstante der polnischen Außenpolitik, die von den verschiedenen Regierungen fortgeführt wurde. Das vereinte Europa sollte den dauerhaften Rahmen dieser Politik und dieser Nachbarschaft bilden. Heute dagegen drängt sich der Eindruck auf, dass dies keine besondere Rolle mehr spielt. Wir geben diesen Rahmen auf und begeben uns auf eine Reise nach… ja eben. Wohin eigentlich?

 

Dieser Stand der Dinge sollte alle, die sich für den deutsch-polnischen Dialog engagieren, dazu veranlassen, noch aktiver Position zu beziehen und noch entschlossener zu handeln.

 

Aus dem Polnischen von Andreas R. Hofmann

 

Der Text erschien zuerst unter: http://krzysztofruchniewicz.eu/czy-relacje-polsko-niemieckie-maja-przyszlosc/

Krzysztof Ruchniewicz

Krzysztof Ruchniewicz

Historiker, Professor an der Universität Wrocław und Direktor des dortigen Willy-Brandt-Zentrums für Deutschland- und Europastudien.

3 Gedanken zu „Haben die deutsch-polnischen Beziehungen eine Zukunft?“

  1. Ich erlaube mir, die Situation zwischen Polen und der Bundesrepublik mit der zu Frankreich zu vergleichen. Beiden Ländern hat die Hitleradministration unfassbar böse mitgespielt und ein Neuanfang der Beziehungen war nach 1945 eigentlich undenkbar. Zu groß die Verletzungen und Wunden, so viele Massaker an der Zivilbevölkerung, ungezählte, unwiederbringlich zerstörte Nationalgüter. Das Ausmaß ist eigentlich bar jeder Vorstellung.

     

    Bis heute haben beide Staaten und Bürger sich der Geschichte gestellt. In starkem Maße wurde die Versöhnung durch Persönlichkeit voran getrieben, wobei mir als Westdeutscher eine vergleichbare Beziehung, wie zwischen de Gaulle und Adenauer, adhoc zu Polen nicht einfällt.

     

    Adenauer und de Gaulle schufen die Pariser-Verträge. Gibt es vergleichbares mit Polen? Sie schufen ein Französisch–Deutsches–Jugendwerk, dass der Jugend erlaubte die einstmals verfeindeten Nachbarn neu und anders kennen zu lernen. Wieso hat dieses Prinzip keine Äquivalente mit Polen, der Tschechei, den Beneluxländern und Dänemark? Ist nur Frankreich für die Bundesrepublik wichtig?

     

    Heute ist die Französisch–Deutsche–Freundschaft Teil der bundesrepublikanischen Staatsräson und das tut beiden Ländern gut, bis hin zu regelmäßigen Konsultationen auf Kabinettsniveau. Es waren die Regierungschefs Helmut Schmidt und Valéry Giscard d’Estaing, Helmut Kohl und Francoise Mitterand die das fortsetzten, was de Gaulle und Adenauer begonnen haben und es wird bis heute so aufrecht gehalten.

     

    Viel habe ich als Westdeutscher nicht von Polen zu hören bekommen, erst als die Solidarnosc in Danzig streikte, regte sich auch bei mir und unseren Lehrern das Interesse für Polen. Ohne Frederic Chopin, ohne Janusc Korczak, ohne Czesław Miłosz wäre mir Polen ein Buch mit sieben Siegeln geblieben. Noch in der Schule, in den 1970 und 1980 Jahren gingen wir davon aus, dass die DDR mit dem Warschauer-Pakt-Partner der Volksrepublik Polen das Gleiche tut, was Bonn mit Paris tat. Ein Irrtum.

     

    Eine Irrung, ein Versagen, dass sich sich selbst heute noch rächt, trotz der vielen Bemühungen seit 1989. Auch heute noch ist die polnisch–deutsche Geschichte nicht fester Bestandteil des Geschichtsunterrichts. Es bleibt alles an der Oberfläche, als ob die zurück liegende Geschichte das verträgt. Unerträglich ist für mich, dass ein Kriegsverbrecher an der polnischen Zivilbevölkerung auf Sylt in Frieden seinen Lebensabend bestreiten konnte. Nur eines von ungezählten Beispielen.

     

    Die Deutsch-Polnischen Beziehungen sollten genauso viel Beachtung finden, wie die Deutsch–Französischen Beziehungen. Wir brauchen ein vergleichbares Jugendwerk zwischen Warschau und Berlin.

     

    Heute meint man der Kalte Krieg kehre zurück zwischen Polen und der Bundesrepublik – Das darf nicht im Interesse des Nachkriegsdeutschlands sein! Ich hoffe, die neue Regierung nimmt sich dieses Themas an und die Öffentlichkeit, wie auch dieses Forum, lenken die Aufmerksamkeit auf die Pflege und weiteren Entwicklung der Deutsch–Polnischen Beziehungen.

  2. Zweifellos hängt die Qualität der deutsch-polnischen Beziehungen von den jeweiligen Regierungen ab – wie ja auch die Qualität der französisch-deutschen Beziehungen. Aber die Qualität ist auch tiefer verankert. Es hat so viele zivilgesellschaftliche polnisch-deutsche Projekte gegeben und es gibt sie weiterhin, das ist meines Erachtens eine Basis, die hält. Polen hat wiederholt unter Preußen und dann Deutschland mehr als gelitten; zugleich gab es gesellschaftlich/zivilgesellschaftlich immer wieder starke philopolnische Strömungen, die, so denke ich, auch zum Begriff „Deutschland“ im Zusammenhang der polnisch-deutschen Beziehungen gehören. Darauf würde ich mehr setzen als auf Regierungsbeziehungen; insoweit bin ich für die mittelfristige Zukunft bezüglich Polen-Deutschland/Deutschland-Polen optimistisch.

    Zum Artikel: https://forumdialog.eu/2017/12/06/haben-die-deutsch-polnischen-beziehungen-eine-zukunft/

  3. Kommentar zum Artikel: Haben die deutsch-polnischen Beziehungen eine Zukunft? 

     

    Ein auch in Polen unterschätzter Umstand: Die Diskussion dreht sich in den jeweils eigenen Kreisen und man hat nur wenig Interesse daran, ins Deutsche zu übersetzen. „Auf Augenhöhe“ ist ein Dialog nur möglich, wenn man die Sprache des Gegenübers spricht (auf beiden Seiten). Und: Es ist ein Fehler, die polnisch-deutschen Beziehungen allein der Politik zu überlassen (Ausklammerung der Zivilgesellschaft) und die ‚Gleichberechtigung‘ am Geld zu messen.

    Stephan Fröhder #newsfhg Bildung Medien Kommunikation

    Bad Homburg v.d.H

    Hessen, Germany ?

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