Zum Inhalt springen

Polen, Freund Donald Trumps

Donald Trump ist eine kontroverse Gestalt. Milliardär, Fernsehpromi, Geschäftsmann, skandalträchtiger Partylöwe, vor allem aber jemand, der grenzenlose Selbstsicherheit und Dominanz auszustrahlen sucht. Das spiegelte der Präsidentschaftswahlkampf von 2016 wider, den Trump völlig beherrschte. Kontroverse Meinungen, scharfe Rhetorik und gewagte, um nicht zu sagen radikale Wahlkampfparolen verschafften ihm augenblicks ebenso viele fanatische Anhänger wie geschworene Feinde. Die Reaktionen auf die Wahl des 45. Präsidenten der USA fielen in Polen und Deutschland sehr unterschiedlich aus. In den deutschen Medien und der deutschen Politik wurde Trumps Wahlsieg mit starkem Argwohn und unverhohlener Ablehnung aufgenommen. Umso mehr, als der New Yorker Milliardär vielfach behauptet hatte, Deutschland betreibe im Handel mit den USA unehrliche Praktiken, das Nord Stream 2 Projekt und kritisierte die zu geringen Aufwendungen für Verteidigung und NATO. In Deutschland, wo seine Präsidentschaft als Problem für die transatlantischen Beziehungen gilt, ist die Auffassung zu hören, diese Beziehungen müssten neu definiert werden. In Polen dagegen wurde Trumps Wahl mit viel größerer Gelassenheit zur Kenntnis genommen. Die polnischen Regierungen achteten stets auf ein gutes Verhältnis zu den USA, unabhängig vom jeweiligen Präsidenten, und auch Donald Trump gilt der polnischen Führung als normaler, demokratisch gewählter Staats‑ und Regierungschef mit einem legitimen Mandat zur Ausübung der Macht.

 

„Recht und Gerechtigkeit“ (PiS) machte sich gleich zu Beginn von Trumps Amtsantritt daran, mit dem neuen Präsidenten und seiner Administration in eine enge und freundschaftliche Beziehung zu treten, wobei die Partei sich mehr von realen Interessen als von Rhetorik und Lebensstil leiten ließ. Ein erstes positives Signal war Donald Trumps Warschauer Besuch im Juli 2017. Dieser war aus zwei Gründen wichtig: Erstens nahm Trump am Gipfel der Länder der Trimarium-Initiative teil, in der sich zwölf mitteleuropäische Länder zusammenfinden und die von Polen und Kroatien initiiert worden war. So erhielt diese Gruppierung starke Unterstützung seitens des Oberhaupts der größten Militärmacht der Welt. Zweitens war der Warschaubesuch überhaupt die erste offizielle Visite des neuen Präsidenten in Europa. Haften blieb Trumps Rede, in der er sehr warm von Polen und den Helden des Warschauer Aufstands sprach. Trump ließ sich von dem herzlichen, geradezu enthusiastischen Empfang in Warschau und den Ovationen während seiner Ansprache beeindrucken.

 

Seither werden enge Kontakte unterhalten. Der polnische Präsident Andrzej Duda traf sich mehrfach mit seinem US-amerikanischen Amtskollegen. Auch Dudas Visite in Washington vom September 2018 verlief in sehr freundlicher Atmosphäre. Bei dieser Gelegenheit unterließ es Duda nicht, Trump heftig mit der Idee zu umschmeicheln, eine amerikanische Militärbasis in Polen nach ihm zu benennen (Fort Trump). Kurz darauf lobte Trump Polen in seiner Rede vor der UNO-Vollversammlung. Unlängst sandte er in seinem Lieblingsmedium Twitter überschwängliche Gratulationen zum hundertsten Jahrestag der polnischen Unabhängigkeit.

 

Bei allen diese Begegnungen findet die polnische Seite eine gemeinsame Sprache mit Donald Trump. Dabei ist nicht zu übersehen, dass PiS viele der Ansichten des amerikanischen Präsidenten teilt, und Trump und die Regierenden in Polen finden viele Gemeinsamkeiten bei politischen Programmen, der Auffassung, wie zu regieren sei, ihren Ansichten etwa zu Migration und absoluter Priorisierung des eigenen Landes und seiner Wirtschaft. Trump vertritt ähnlich wie PiS ebenfalls konservative Ansichten in weltanschaulichen Fragen.

 

Bei all dem wahrt Polen seine Zurückhaltung bei den Auseinandersetzungen der USA mit der Europäischen Union, etwa beim Nukleardeal mit dem Iran, dem Klimaschutz oder den Handelsbeziehungen zwischen den Staaten und Europa. Die USA sind für Polen ein wichtiger Wirtschaftspartner; als Ministerpräsident und bereits zuvor als stellvertretender Ministerpräsident und Entwicklungsminister absolvierte Mateusz Mazowiecki Besuche in den USA zur Anknüpfung von Wirtschaftskontakten. Dahinter steht die Absicht, US-Investoren für Polen zu gewinnen und den US-Markt für polnische Unternehmen zu öffnen. Auch Energie‑ und Rohstofflieferungen aus den USA sind für Polen wichtig, weil sie dem Land erlauben, seinen Energiemix und seine Lieferquellen zu diversifizieren und sich von Russland unabhängiger zu machen. In den vergangenen Monaten erfolgten die ersten Lieferungen US-amerikanischen Flüssiggases nach Polen. Trump kritisiert den Bau der deutsch-russischen Nord Stream 2-Pipeline, dem sich Polen entschieden widersetzt. Ein anderes wichtiges Thema ist für Polen die Aufhebung der Visapflicht für Polen; in dieser Frage ist die polnische Regierung vorsichtig optimistisch, setzt jedoch auf das Entgegenkommen der US-Administration.

 

Nach der Aggression Russlands gegen die Ukraine und der Besetzung der Krim 2014 wurde Polens Rolle auch für die US-Amerikaner bedeutender. Polen ist den USA gegenüber sehr freundlich eingestellt, und die Polen sind eine sehr proamerikanische Nation. Seine Mitgliedschaft in der Europäischen Union und seine geographische Lage in Mitteleuropa ebenso wie seine immer engere Zusammenarbeit mit anderen Ländern der Region innerhalb der Visegrád-Gruppe und der Trimarium-Initiative sind für die USA wichtige Vorzüge. Im Kontext der Spannungen und des unterkühlten Verhältnisses zwischen Trump und den westeuropäischen Führungen und dem geopolitischen Ränkespiel um die Ukraine spielt Polen für die USA eine wichtige Rolle, um die starke US-Position in Europa zu halten. Darin erblickt Warschau eine Chance, Potential und Position Polens international auszubauen, die es auch zu nutzen versucht. Wie aus Verhalten und freundlichen Gesten aus Washington zu schließen, wird dies dort durchaus positiv aufgenommen.

 

Das für Polen wichtigste Feld in seinem Verhältnis zu den USA sind Sicherheit und Verteidigung. Seit dem Fall des Kommunismus hat Polen die Nähe der USA gesucht, und nach seinem Eintritt in die NATO war es stets ein loyaler Verbündeter der US-Amerikaner. Die Vereinigten Staaten und die aktive Mitgliedschaft in der NATO sieht Polen als sicherste und wirkungsvollste Grundlage und Garantie seiner nationalen Sicherheit.

 

Alle polnischen Regierungen betrachteten die USA als einziges wirkliches Gegengewicht gegen Russland, das für Polen die größte Bedrohung darstellt, und seine aggressive Politik ließ mit der Besetzung der Krim und der Aggression gegen die Ukraine 2014 die polnischen Befürchtungen erheblich wachsen. Mit Rücksicht darauf nahm Polen entgegen deutschen und französischen Einwänden an den Kriegen in Afghanistan und im Irak teil. Polen hat von den USA auch F-16-Kampfflugzeuge gekauft und bemüht sich zur Zeit um den Erwerb weiterer Rüstungsgüter, darunter Patriot-Raketen und das HIMARS-System zur Raketenabwehr.

 

Sehr wichtig ist für Polen auch die Präsenz von US-Truppen. Daher hat für die polnische Sicherheit die Basis in Redzikowo als Bestandteil des Raketenabwehrschilds große Bedeutung sowie die rotierende Stationierung amerikanischer Truppen in Polen. Die polnische Regierung bemüht sich intensiv um die Einrichtung einer ständigen und starken US-Basis auf polnischem Staatsgebiet. Um die Neigung des US-Präsidenten zu gewinnen, wird diese in Arbeitspapieren „Fort Trump“ genannt. Die polnische Regierung ist mit Blick auf die nationale Sicherheit bereit, beträchtliche Summen zum Unterhalt dieser Basis aufzuwenden.

 

Polen ist immer auf Distanz zu Ideen geblieben, europäische Militärstrukturen aufzubauen, in der Befürchtung, diese könnten in Konkurrenz zur NATO treten. Auch das von dem französischen Präsidenten Emanuel Macron aufgebrachte Konzept einer europäischen Armee wurde mit Reserve zur Kenntnis genommen, zumal die Europäische Interventionsinitiative weder in die NATO noch die EU integriert werden soll. Polen will seine Maßnahmen und Mittel innerhalb der letztgenannten Institutionen konzentrieren. Es wünscht Selbständigkeit bei Entscheidungen über Rüstungsbeschaffung und will der polnischen Waffenindustrie Möglichkeiten zu Entwicklung, Erwerb neuer Technologien und Produktion möglichst umfangreicher Militärausrüstungen und ihrer Komponenten geben, worauf die jetzige Regierung besonderen Wert legt. Die Aufstellung einer gemeinsamen Armee und Einführung europäischer Rüstungsstandards könnten den Mitgliedsländern diese Möglichkeiten nehmen. Der Kauf von Rüstungsgütern von den US-Amerikanern ist auch eine Form, die transatlantischen Beziehungen enger zu knüpfen, und ein lohnendes Geschäft für US-Firmen, für die Polen wegen seines großen Modernisierungsbedarfs ein attraktiver Kunde ist.

 

Es gibt in Polen Befürchtungen, eine europäische Armee unter französischer Führung werde darauf ausgerichtet, Bedrohungen im Süden und nicht im Osten des Kontinents zu begegnen, während Polen die größte Gefahr in Russland sieht. Dem ist hinzuzufügen, dass Polen generell für eine intensivere verteidigungspolitische Zusammenarbeit in Europa eintritt, doch nur, wenn diese die NATO ergänzt und in deren Rahmen geschieht, nicht diese ersetzt. Das wird an Polens Beitritt zur Ständigen Strukturierten Zusammenarbeit (PESCO) und seinem Engagement für diese deutlich. Weiters stellt die polnische Regierung die Idee in Frage, Führung und politische Entscheidungen über den Streitkräfteeinsatz an EU-Institutionen abzutreten. Für die gegenwärtige polnische Regierung hat die staatliche Souveränität besondere Bedeutung, daher steht sie der Abtretung der militärischen Führung an die EU ablehnend gegenüber, die dadurch ein weiteres Attribut von Staatlichkeit erhielte und einen Schritt in Richtung eines Überstaates machen würde. Nach Vorstellung der regierenden PiS soll die Europäische Union weiterhin ein Forum sehr enger und intensiver Zusammenarbeit souveräner Nationalstaaten bleiben.

 

Donald Trump betreibt eine sehr selbstbewusste Politik gegenüber Gegnern und Rivalen wie gegenüber den traditionellen, auch den europäischen Verbündeten der USA. Trump ist kein Gegner der NATO, er will lediglich gewährleisten, dass alle Mitgliedsländer einen gleichen Beitrag zu den gemeinsamen Verteidigungsanstrengungen leisten und die NATO nicht von den USA subsidiert wird. Er will Länder wie Deutschland und Frankreich dazu bringen, zwei Prozent ihres BIP für Verteidigung aufzuwenden, wie es die Beschlüsse des NATO-Gipfels von Newport vorsehen. Polen erfüllt diese Vorgabe regelmäßig und wird von Trump als vorbildlich präsentiert. Trumps Anordnungen lassen erkennen, dass die zuvor eingegangenen Verpflichtungen wie etwa die Stärkung der NATO-Ostflanke und die dortige Stationierung von US-Truppen konsequent umgesetzt werden. Polen stützt seine Sicherheit auf die Mitgliedschaft in der NATO und enge Beziehungen zu den USA und befürwortet eine engere transatlantische Gemeinschaft unabhängig von der jeweiligen Regierung. Vor diesem Hintergrund sind in letzter Zeit lautgewordene Erklärungen zum Aufbau einer Armee, die Europa vor Russland und den USA (!) schützen soll, für Polen nicht annehmbar und werden immer auf Skepsis und distanzierte Reaktionen seitens der polnischen Regierung stoßen.

 

Aus dem Polnischen von Andreas R. Hofmann

Adam Jarosz

Adam Jarosz

Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Politologie der Universität Zielona Góra, wo er sich mit Fragen zur regionalen Selbstverwaltung, Stadtentwicklung, der Geschichte und Gegenwart Deutschlands sowie den deutsch-polnischen Beziehungen auseinandersetzt.

Ein Gedanke zu „Polen, Freund Donald Trumps“

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Symbol News-Alert

Bleiben Sie informiert!

Mit dem kostenlosen Bestellen unseres Newsletters willigen Sie in unsere Datenschutzerklärung ein. Sie können sich jederzeit austragen.