Der neue Film über die Verteidiger des polnischen Postamtes in der Freien Stadt Danzig von Damian Wenta wurde anlässlich des 80. Jahrestags des Ausbruchs des Zweiten Weltkrieges gedreht. Es handelt sich um eine Dokumentar- und Animations-Produktion über die Postbeamten, die am 1. September 1939 mehrere Stunden lang Widerstand gegen die Polizei- und SS-Einheiten leisteten, die das polnische Postamt in Danzig gestürmt hatten.
Die Verteidigung des polnischen Postamtes in Danzig ist zu einem polnischen Symbol für die Tragödie des Zweiten Weltkrieges geworden. Bereits 1958 war der Spielfilm „Wolne Miasto“ [Die Freie Stadt] in der Regie von Stanisław Różewicz über die Verteidiger des Postamtes entstanden. In dem Moment, als das Postgebäude angegriffen wurde, befanden sich 57 Personen darin. Die übrigen Mitarbeiter, die auf dem Weg zur Arbeit waren, wurden von der Polizei aufgehalten. Ein Teil der Verteidiger starb vor Ort, die übrigen Postbeamten wurden erschossen. Es überlebten nur fünf Menschen.
Der Film Obrońcy Poczty [Die Verteidiger des Postamtes] erzählt von den Ereignissen aus einer anderen Sicht. Der Regisseur präsentiert über einhundert historische Fotos und erhaltene Dokumentaraufnahmen, die den Kampf zeigen, und auch Gespräche aus der Nachkriegszeit mit Überlebenden des Kampfes. Letztere sind absolut einmalig. Der Autor der Produktion hat vergessene Radio- und Fernsehinterviews aus den sechziger und siebziger Jahren entstaubt, in denen Teilnehmer des Gefechts Schritt für Schritt die Ereignisse des ersten Septembertages 1939 erzählen. Ergänzt werden die Interviews durch Gespräche mit den Familien der Verteidiger und mit Historikern, die sich mit diesem Bereich der neusten Geschichte beschäftigen. Aber nicht das ist das Innovative. Der Film richtet sich vor allem an Jugendliche. Es werden Szenen, die nicht durch Archivbilder oder Filmchroniken dokumentiert sind, aber mit Historikern besprochen wurden, als Animationsfilme mit 3-D-Technik gezeigt, was vielleicht zu einer besseren Rezeption durch junge Zuschauer führt. Mithilfe von Familien- und Museumsfotografien ist es gelungen, die Gesichter der Verteidiger zu rekonstruieren. Diese Animationen haben 80 Jahre später mit Sicherheit die Protagonisten dieser Ereignisse lebendig gemacht. „Ich würde mir wünschen“, sagt Damian Wenta, „dass dieser Film bei Jugendlichen ankommt. Es ist mir wichtig, dass sie die Geschichte des Kampfes kennenlernen, der aus militärischer Sicht nicht gelingen konnte, der aber eine starke Manifestation der Rechte der Polen in der Freien Stadt Danzig war.“
Die Premiere des Films fand in diesem Jahr am Vorabend des Jahrestages des Ausbruchs des Zweiten Weltkrieges im Danziger Artushof statt. Eine Sondervorstellung hat es im Oktober im Europäischen Solidarność-Zentrum in Danzig gegeben. Unter den vielen vom Veranstalter (Historisches Museum der Stadt Danzig) geladenen Zuschauern war ein besonderer Gast zugegen: Dieter Schenk. Er sagte vor der Vorführung: „Der Film von Damian Wenta zeigt einfühlsam und realistisch, was am 1. September 1939 an der Danziger Post geschah; das Verbrechen der Nazis war brutal und barbarisch, und dies auf der Leinwand zu sehen ist nicht leicht zu verkraften. Die Schülerinnen und Schüler bitte ich: Wenn Ihr heute nach Hause kommt, redet mit Euren Eltern über den Film und – soweit möglich – auch mit den Großeltern, denn es war damals fast jede polnische Familie betroffen. Wenn je etwas aus der Erfahrung der Nazizeit gelernt werden kann, so sind dies Mitgefühl, Zivilcourage sowie Verweigerung und Widerstand gegen alles, was sich gegen das Menschliche richtet.“
Dieter Schenk wurde 1937 in Frankfurt am Main geboren, er ist Kriminalist, Literat, freier Publizist und Ehrenbürger der Stadt Danzig. Er hat zahlreiche Bücher über die nationalsozialistischen Verbrechen, hauptsächlich in Polen, verfasst, darunter das berühmte Buch Die Post von Danzig. Geschichte eines deutschen Justizmords. Es handelt sich dabei um eine besonders wichtige Publikation, die dazu beigetragen hat, dass der Prozess wieder aufgenommen und das Urteil gegen die Postbeamten revidiert wurde. Schenk selbst erzählte: „Dass ich die Chance hatte, über die Verteidigung der Danziger Post ein Buch zu schreiben, war für mich ein großes Glück, denn die Erforschung des Nationalsozialismus in Polen entwickelte sich zu einer Lebensaufgabe.“ Es ist Schenk und seinem Buch zu verdanken, dass der Fall der Verteidiger der Post wieder aufgenommen wurde, die noch im September 1939 von einem Feldkriegsgericht zum Tode verurteilt worden waren (das Urteil wurde im Oktober vollstreckt). Das Landgericht Lübeck ist 1995 in Revision gegangen und stellte Verfahrensfehler und Verletzungen der Beschlüsse des Vierten Haager Abkommens von 1907 fest, das die Gesetze und Gebräuche des Landkriegs betrifft. In dem neuen Prozess wurden die Postbeamten freigesprochen.
Schenk erinnerte bei seinem Auftritt im Europäischen Solidarność-Zentrum an den Augenblick, da nicht alles nach seinen Vorstellungen verlief, vor und während des Prozesses in Lübeck, damals habe er verstanden, dass: „[e]s die Polen [waren], die mir das Selbstvertrauen gaben, das Richtige zu tun. Denn über die Nazizeit in Deutschland aufzuklären, hat mir in Deutschland in den Anfangsjahren nicht nur Freunde eingebracht. Doch genoss ich die Solidarität eines Teils der Medien, die meine Arbeit unterstützten. Deswegen weiß ich zu schätzen, dass die Freiheit der Presse – vor allem für einen Kritiker des Staates – ein hohes Gut ist.“
Die internationale Premiere des Films Obrońcy Poczty [Die Verteidiger des Postamtes] fand während des 31. Festivals Polnischer Filme in Amerika im November dieses Jahres in Chicago statt. Der Film wurde auch bei anderen Festivals eingereicht, hat sich dafür qualifiziert und wird dort in den kommenden Monaten gezeigt.
Bis Jahresende wollen die Macher den Film auf DVD herausgeben, damit er auf diese Weise auch kostenlos als Bildungsmaterial an Schulen und Bibliotheken gelangen kann. Noch werden weitere finanzielle Mittel benötigt, damit die Produktion abgeschlossen werden kann, darunter auch für den Erwerb der Rechte an den Archivfilmen, die Bezahlung für einen Teil der ausgeführten Arbeiten in der Nachproduktion und die Herausgabe der DVD.
Die Produzenten bitten um Unterstützung beim Abschluss der Arbeiten an dem Film und um Kontakte zu Firmen und Institutionen, die sie dabei unterstützen können. Gerne kann hierzu die Redaktion von DIALOG FORUM kontaktiert werden: redaktion@forumdialog.eu
„Die Verteidiger der Post“ (2019) Drehbuch und Regie: Damian Wenta, Kamera: Kacper Gajewski, Musik: Juliusz Kłos, Produzent: Fundacja Generator Kultury, Länge: 79 Minuten
Aus dem Polnischen von Antje Ritter-Miller