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Kommentar: Medien sind mehr als ein Geschäft

Der britische „Economist“ brachte die Meldung, der staatliche, genauer gesagt von der polnischen Regierung kontrollierte Mineralölkonzern Orlen, führe mit der deutschen Verlagsgruppe Passau Gespräche über den Kauf der ihr gehörenden Polska Press Grupa. Die Mediengruppe ist Herausgeberin von mehr als zwanzig regionalen Tageszeitungen, annähernd 150 regionalen Wochenzeitungen und über zwanzig regionalen Informationsdiensten. Mit anderen Worten, sie ist einer der größten Akteure auf dem polnischen Medienmarkt.

Dass ein beträchtlicher Teil der Medien in Polen deutschen Investoren gehört, ist der rechtskonservativen Regierung ein Dorn im Auge. Denn für die Regierungspartei „Recht und Gerechtigkeit“ (PiS) ist die Arbeit für Medien, die vom deutschen Kapital abhängen, gleichbedeutend damit, für Deutschland zu arbeiten. Ich selbst als Journalist des polnischen Portals Onet, das zu Ringier Axel Springer Polska gehört, habe endlose Beleidigungen dafür hinnehmen müssen, dass ich deutsche Interessen vertrete. Meine Kritik an der zu großen Vertraulichkeit Berlins mit Moskau, an Nord Stream etc. spielt dabei offenkundig keinerlei Rolle. Denn tatsächlich ging es auch niemals um das, was gesagt wurde, sondern darum, keine Kontrolle über Medien zu haben, die fremden Investoren gehören.

Die PiS-Regierung hat schon seit Jahren unablässig gegen Medien gehetzt, die sie nicht kontrolliert; zuerst kündigte sie die Repolonisierung der Medien an; als aber herauskam, dass es gegen EU-Recht verstieße, die ausländischen Eigentümer zum Verkauf der Medien zu zwingen, sprach sie von einer „Dekonzentration“ der Medien. Die wirklichen Absichten der Regierung wurden unlängst in einem Radiointerview von dem stellvertretenden Ministerpräsidenten und Kulturminister Piotr Gliński verraten: Wo dies möglich sei, sollen staatseigene Aktiengesellschaften Medien kaufen. Mit anderen Worten: Es geht weder um Repolonisierung noch um Dekonzentration, sondern um die Gewinnung der Kontrolle über die Medien.

Das Problem ist nur: Überall, wo PiS die Medien bereits kontrolliert, hat die Partei diese umgehend in ein Propagandaorgan verwandelt. Die von PiS beherrschten Medien sind politische Instrumente, und die sogenannten öffentlichen Medien, also solche unter Regierungskontrolle, verfügen über sehr geringe Entscheidungsfreiheiten. Die auf dem polnischen Medienmarkt herrschenden Regeln waren niemals ideal; es war schon lange vor der Regierungsübernahme durch PiS ein Problem, in welchem Ausmaß die Medien der Politik willfährig waren.

Alle Mängel des Medienmarktes vor der PiS-Regierungsübernahme verblassen jedoch im Vergleich zur jetzigen Situation. Es ist ein offenes Geheimnis, dass schwarze Listen mit den Namen von Kommentatoren und Publizisten kursieren, die praktisch Hausverbot bei den öffentlichen Medien haben.

Ich selbst habe vor kurzem als vormaliger Chef der polnischen diplomatischen Vertretung in Belarus eine Einladung zu einem der öffentlichen Rundfunksender erhalten, um die Proteste gegen Aljaksandr Lukaschenka zu diskutieren. Die Einladung geschah jedoch unter dem Vorbehalt, ich dürfe kurz vor meinem Auftritt in ihrem Programm nichts allzu Kritisches über die polnische Regierung schreiben. Bei einem anderen Sender bekam der Programmverantwortliche ziemliche Schwierigkeiten, nachdem er mich eingeladen hatte. Solche Dinge geschahen auch schon vor der Übernahme der Regierung durch PiS, doch jetzt ist das bereits der Normalfall.

Als der Pressesprecher von Polska Press Grupa gefragt wurde, welche Pläne es zum Verkauf der Gruppe an Orlen gebe, verweigerte er jeden Kommentar zu dem Bericht des „Economist“. Das Ausbleiben eins Dementis an sich zeigt schon, dass bei den Journalisten die Selbstzensur in Aktion getreten ist, weil sie um ihre Jobs fürchten und daher in Zukunft einige Zurückhaltung an den Tag legen werden, das zu schreiben, was sie wirklich denken.

Für einen polnischen Journalisten bedeutet der Jobverlust nicht einfach nur eine Delle im Lebensstandard, sondern sehr oft das völlige finanzielle Aus gleich nach der Entlassung. Es ist auch ein offenes Geheimnis bei den polnischen Medien, dass ein großer Teil der Journalisten ohne Arbeitsvertrag arbeitet und von einem Tag auf den anderen entlassen werden kann. Wer einen Vertrag hat, weiß, dass es in den Sternen steht, ob und wann er nach der Kündigung wieder einen neuen Vertrag bekommt.

Der mögliche Verkauf der Polska Press Grupa an den staatlichen Ölkonzern Orlen bedeutet, so wie die Dinge nun einmal stehen, einen Anschlag auf die Freiheit des Wortes. Es ist daher wichtig, jetzt nicht mehr die Polska Press Grupa, sondern direkt die Verlagsgruppe Passau zu fragen, ob sie sich darüber im Klaren ist, dass sie mit einem eventuellen Verkauf zu einem gewaltigen Sprung in Richtung Orbánisierung Polens beitragen würde. Viktor Orbán und vor ihm bereits Wladimir Putin haben nämlich derart gründlich die Medien in Ungarn und Russland unter ihre Kontrolle gebracht, weil sie sie gekauft haben, anstatt sie zu zensieren. Die Zensur folgte später.

Es wäre gut, wenn die Verlagsgruppe Passau ihren Besitz an polnischen Medien so behandeln würde wie die Medien, die sie in Deutschland besitzt. Medien sind in der Demokratie nämlich mehr als nur ein Geschäft. Es ist klar, das Kapital mit der entsprechenden politischen Motivation immer mehr erreichen kann. Es wäre ausgesprochen berechnend und zynisch, so zu tun, als verstünde man das nicht. Auch die deutschen Medien sollten die vorstehenden Fragen den Eigentümern von Polska Press Grupa stellen.

 

Aus dem Polnischen von Andreas R. Hofmann

Witold Jurasz

Witold Jurasz

Journalist bei der Onlineplattform Onet.pl und der Tageszeitung Dziennik Gazeta Prawna, Vorsitzender des Zentrums für Strategische Analysen, ehemaliger Mitarbeiter der Investitionsabteilung der NATO, Diplomat in Moskau und Chargé d’affaires der Republik Polen in Belarus.

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