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Zerrissenes Polen

Durch einen Revolverschuss wurde am 16. Dezember 1922 der Präsident der Zweiten Polnischen Republik, Gabriel Narutowicz, getötet. Das Attentat fand während der Vernissage einer Kunstausstellung in der Warschauer Kunsthalle Zachęta statt. Das Echo war enorm. Mein Vater erinnerte sich nach Jahren: „Ich entsinne mich des Schreckens, der über der Stadt lag. Aus heiterem Himmel wurde ich vom Kindergarten abgeholt und nach Hause gebracht. Der Weg vom Kindergarten nach Hause, von der Bracka-Straße bis zur Senatorska-Straße führte an der Zachęta vorbei.“ (Witold Kula, Wokół historii, PWN, Warszawa 1988, S. 454).

Die Reaktion auf das Geschehene war umso größer, da die Menschen glaubten, nach schwierigen Zeiten seien nun bessere gekommen. Vier Jahre zuvor endete der Große Krieg, Polen erlangte seine Unabhängigkeit, zwei Jahre davor verteidigte sich das Land erfolgreich gegen die bolschewistische Invasion … Es schien, als ob „Normalität“ einkehren würde. Narutowicz wurde am 9. Dezember zum ersten polnischen Präsidenten gewählt. Selbstverständlich gab es vorher interne Kämpfe zwischen den politischen Gegnern. Man hatte dennoch angenommen, die Staatsmacht würde ab jetzt stabil bleiben.

Innerhalb einer Woche nach den Wahlen wurden diejenigen, die eine Stabilisierung erwarteten, enttäuscht. Die Rechte (endecja) begann umgehend einen erbitterten Kampf mit dem Sieger, indem sie sich auf die Tatsache konzentrierte, dass er Unterstützung seitens der linken Angeordneten und Vertretern der nationalen Minderheiten bekam. Am lautesten ertönte der Vorwurf, Narutowicz würde von Juden unterstützt. Aus Sicht der Rechten hatte der Attentäter, Eligiusz Niewiadomski, Polen gerettet. Er wollte zuerst Piłsudski töten, weil er ihn für einen Politiker hielt, der nicht genug rechts war und das Land nicht disziplinieren konnte. Vielleicht war Niewiadomski ein Fanatiker, vielleicht ein Psychopath … Es wäre hier fehl am Platz, seinen Gesundheitszustand einzuschätzen, zudem würde dem Autor dieser Zeilen die fachliche Kompetenz fehlen. Sicherlich war er kein Mensch aus der Unterschicht oder jemand, der die Fähigkeit verloren hätte, über die eigenen Handlungen zu urteilen. Niewiadomskis Vater nahm am Januaraufstand teil (1863/64, gegen die russische Teilungsmacht gerichtete polnische Erhebung). Niewiadomski selbst genoss eine gute Ausbildung, hatte Familie, war ein gar nicht so schlechter Kunstmaler, forschte zu Kunstgeschichte, für eine Weile war er Staatsbeamter … Als er vor Gericht stand, kämpfte er nicht um sein Leben, sondern führte an, warum seine Tat legitim gewesen sei; er stellte sich als Patriot dar, und seine mörderische Tat als eine patriotische Handlung. Er war bis zu zur letzten Minute vor der Vollstreckung des Todesurteils von der Rechtmäßigkeit seiner Mitovation überzeugt. Kurz vor seiner Erschießung sagte er tatsächlich, er sterbe für Polen. De facto konnte er in diesem Moment vor allem bloß seinen eigenen Mythos kreieren, anderes blieb ihm auch nicht übrig. Falls er das beabsichtigte, so war er damit erfolgreich. Für Viele wurde er zum Helden. Man kann sogar von einem Personenkult um seine Person in manchen Kreisen sprechen.

Eligiusz Niewiadomski weckt bis heute das Interesse von Historikern und Lesern, denen ich das Buch von Professor Patryk Pleskot empfehle (Patryk Pleskot, Niewiadomski. Zabić Prezydenta, Demart, Warszawa 2012). Mehr als der Mörder, selbst mehr als der Tod von Gabriel Narutowicz, interessieren mich allerdings die Sachlage und der Konflikt, die zum Attentat beigetragen haben. Aus der Geschichte geht hervor, dass bei bestimmtem Spannungen und Spaltungen in der Gesellschaft sich relativ leicht potentielle Attentäter finden, welche wirklich oder nur in ihren eigenen Augen die Heimat verteidigen. In diesem Sinne müssen das nicht unbedingt zufällige oder verwirrte Personen sein. Ohne die von mir genannten Personen zu vergleichen, kann man mühelos an einige, glücklicherweise fehlgeschlagene, Attentate auf General Charles de Gaulle erinnern, an versuchte Attentate auf Hitler, auf Lenin, an die Ermordung von Mahatma Gandhi sowie die von Yitzhak Rabin … Immer wieder wurde auch vermutet, dass einige große historische Gestalten ermordet worden seien (Napoleon, Bolívar). So manch ein entstehender oder wiederentstandener Staat hatte überdies Probleme mit seinen Grenzen, aber auch mit ethnischen und religiösen Spaltungen, angefangen mit Indien, das sich damals befreit hatte. Jedes Mal war die Situation anders, darüber könnte man viele Bücher schreiben. Mich interessiert indessen die Situation im Polen.

Józef Pilsudski und Gabriel Narutowicz

Unabhängig von den Komponenten des nationalen Gedankens zur Zeit der Ersten Polnischen Republik (Rzeczpospolita) wurde die moderne polnische Nation im 19. Jahrhundert ohne staatliche Rahmenbedingungen geboren. Folglich strukturierte sie sich eher als Nation denn als eine Ansammlung von Bürgern eines bestimmten Staates, oder gar Untertanen eines eigenen Königs. Von daher musste zum Zeitpunkt der Widergeburt des Staates die Frage aufkommen, wer nun die Nation sei. In jedem Land, welches sich in einer ähnlichen Situation befand, wurde sicherlich danach gefragt. Die Osteuropäische Ebene ist, so banal es klingen mag, eine Ebene. Es gibt hier keine wesentlichen natürlichen Hindernisse, deshalb konnten sich die hierorts ansässigen Bevölkerungsgruppen seit jeher vermischen. Sehr lange war dies ein großes Grenzland. Sogar hinsichtlich der für die Geschichte Polens symbolischer Namen war nicht völlig klar, wer was war. Kościuszko und Piłsudski bezeichneten sich als Litauer. Der Bruder des Präsidenten, Stanisław Narutowicz, unterschieb die Unabhängigkeitserklärung Litauens. Es gab noch eine andere Frage: Wo verlaufen die Grenzen dieser Staaten, die auf den Ruinen der untergegangenen Imperien entstanden sind? Die Grenzen Polens im Osten wurden nach blutigen Konflikten festgelegt; im Westen war der Weg dahin etwas sanfter, wenngleich es ebenfalls Opfer gab. Das wiedergeborene Polen reichte bis zu den Gebieten, welche die Ukrainer, Belarusen und Litauer, eine Gruppe genauso moderner Staaten, beanspruchte. Polen hatte Probleme und Streitigkeiten mit den Deutschen und den Tschechen. Polens Wiedergeburt war durch den soeben beendeten Krieg belastet: Dieser ermöglichte einerseits Polens Neubeginn, andererseits hinterließ er furchtbare, heute schon oft verschwommene Erinnerungen. Der Polnisch-Sowjetische Krieg von 1920 war der krönende Abschluss einer Wiedergeburt, die sich sowohl territorial wie auch unter dem Aspekt der nationalen Einigung schwierig gestaltete.

Wie ein Mensch, der in einer Welt voller Streitigkeiten und Schlägereien aufwächst, selten zu einem sanften Lamm wird, so wird eine Nation, die mit Mühe einen Staat errichtet, nie ein richtiger Staat sein. Da von 1795 bis 1918 kein eigener Staat vorhanden war, abgesehen von vorübergehenden Ersatzerscheinungen, fehlte die Gewissheit, dass jemand aus den eigenen Reihen die Verantwortung übernehmen könnte. Zu allem Überfluss war die wieder unabhängige Nation gesellschaftlich enorm gespalten, was das Gespür dafür verringerte, dass eine funktionierende Staatsmacht von grundlegender Bedeutung war. Wirklich wichtig war der lokale Machthaber, besonders der Großgrundbesitzer. Hinzu kam eine folgenschwere Tatsache: Im Zuge der Neuanordnung der Grenzen bestand die polnische Bevölkerung zu einem Drittel aus nationalen Minderheiten. Zugleich wurde der Staat als Nationalstaat aufgebaut. Die nationale Ideologie war zugänglich, sie kam bei den Polen am besten an, auch bei vielen von denen, die sich auf der unteren Stufe der sozialen Leiter befanden. Paradoxerweise fühlten sich gerade sie der nationalen Rechten und nicht der Linken zugetan. Und dann wurde der erste Präsident mit Stimmen der Minderheitenvertreter und der Linken gewählt, was viele ziemlich erschütterte. Die Resonanz war überwiegend negativ, obschon der Präsident selbst Teilen der Volkspartei und Piłsudski nahestand; er war kein Linker, erst recht kein Vertreter einer der nationalen Minderheiten.

Das schlimmste Problem für die Rechten waren polnische Bürger jüdischer Abstammung, kurz gesagt die Juden (bis heute ist es in Polen üblich, von Polen und Juden zu sprechen, ohne auf die negativen Folgen der polarisierenden Begriffe zu achten). Die deutsche Minderheit stellte bis zum Ende der Zwischenkriegszeit keine großen Probleme dar, genauso wie die kleineren Minderheitengruppen. Die Beziehungen zur ukrainischen Minderheit führten wiederholt zu Differenzen. Allerdings spielte sie keine große Rolle, weil dies eine gebietsbezogene Minderheit war, großenteils in Gebieten lebte, die weit von politischen Zentren entfernt lagen, und – besonders wichtig – christlichen Glaubens war. Die Ukrainer, die als potentiell polnisch angesehen wurden, wollte man polonisieren, was übrigens verwerflich war und schlimme Folgen hatte. Die Bürger jüdischer Abstammung standen für eine andere Religion. Wegen der seit langem verbreiteten Glaubenssätze ging die katholische Kirche gegen sie vor. Sie lebten in verschiedenen Regionen des Landes, viele von ihnen in einheitlichen Gruppen, sie hatten unterschiedliche Gebräuche, manchmal wollten sie unter sich leben. Dieser Wille sowie die Feindseligkeit des Umfelds führten zur Entstehung eines geschlossenen, sich gegenseitig verstärkenden Kreises. Die Städtchen im Osten Polens, im ehemaligen „Siedlungsgürtel“ der Juden im russischen Zarenreich, wirkten wie aus einer anderen Welt. Diese Menschen wollte keiner oder fast niemand polonisieren. Manche von ihnen, die mit Hass konfrontiert waren und nur begrenzte Chancen in der Gesellschaft hatten, schlossen sich subversiven Bewegungen an. Die Öffentlichkeit schrieb solche Gesinnung selbstverständlich der ganzen Gruppe zu. Gleichzeitig war das jüdische Milieu in Polen dermaßen heterogen, dass man es verschiedener Haltungen und Aktivitäten bezichtigen konnte. Oft wurde dieses Milieu nicht nur für eine Kommunistenansammlung, sondern für eine Gruppe Ausbeuter und Blutsauger gehalten; unter dem Strich für gefährliche Feinde. Und eben ihre Vertreter hatten unter anderem die Kandidatur von Gabriel Narutowicz unterstützt. Die Rechte schrie, sie wolle nicht, dass Juden in Polen herrschten.

Menschen, die sich Ruhe wünschten, konnten sich damit trösten, dass die Ermordung von Gabriel Narutowicz vielleicht der letzte Schub schwieriger Zeiten war. Diese Hoffnung wurde nicht erfüllt. Es war nicht der letzte politische Mord der Zwischenkriegszeit, und nicht das Ende der tiefen Spaltungen in Polen. Die Auseinandersetzung zwischen der Endecja (Nationalisten) und der Sanacja (autoritäres Regime von Piłsudski-Anhängern) dauerte bis zum Tod Piłsudskis an (1935); erst dann näherte sich die Sanacja der Endecja an. Während der deutschen Besatzung und später in der Volksrepublik Polen sah die Lage anders aus, wenn auch nicht ruhiger. Der zweifelhafte Verdienst des Besatzers nach 1939 war die Annäherung zwischen den einzelnen Gruppen der eroberten Nation. Dies war natürlich keine Einheit ohne Vorbehalte, denn es gab Fälle von Kollaboration; die Forschung zeichnet wiederholt ein negatives Bild hinsichtlich der Haltung vieler polnischer Christen gegenüber der Vernichtung polnischer Juden durch den Aggressor. In den Erinnerungen der polnischen Juden wurde dies seit langem thematisiert. Darüber hinaus war der Streit zwischen den politischen Lagern in der Emigration nach wie vor heftig … trotzdem darf der „Verdienst“ der Feinde für die Einigung der polnischen Nation nicht unterschätzt werden.

Zwischen 1945 und 1989 entwickelten sich die politischen Spaltungen in einer Weise, die nicht mit den Zeiten einer mehr oder weniger freien Demokratie oder der deutschen Besatzung zu vergleichen waren. In den ersten Jahren nach dem Zweiten Weltkrieg und in der stalinistischen Zeit waren Spaltungen und Feindseligkeiten sehr stark vertreten. Später wurde die Lage komplizierter. Es sei daran erinnert: Die im kommunistischen Apparat tätigen Menschen machten einen gar nicht so kleinen Teil der Gesellschaft aus, auch wenn man die einstigen sowjetischen Berater und sowjetischen Offiziere in der polnischen Armee außer Acht lässt. Nicht einmal die – laut Meinung manch eines Antikommunisten – große Zahl der jüdischen Kommunisten ändert etwas an diesem Tatbestand.

In den 1970er Jahren waren über drei Millionen Polen in der PZPR (Polnische Vereinigte Arbeiterpartei), obgleich häufig aus lediglich opportunistischen Gründen. Die Kommunisten ließen vorwiegend nationalistische, zuweilen sogar chauvinistische Parolen verlauten. Manchmal war es im Rahmen des politischen Machtspiels zynisch gemeint, gelegentlich war es der auf ihre Art verstandene Patriotismus; ab und an war es ein Zeichen dafür, dass sie die Beziehungen zu Moskau für schier unvermeidlich hielten, doch bisweilen geschah es aus den einfachsten patriotischen Beweggründen. Viele Polen bezeichneten das Machlager trotzdem als antinational. Die Dichotomie zwischen geeinter Nation und kommunistischer Machtelite – was nicht heißt, dass die die exakte Widerspiegelung der realen Situation war – entfachte erneut im August 1980, dann nach der Ermordung des Priesters Jerzy Popiełuszko und während der Pilgerreisen des Papstes Johannes Paul II. Interessanterweise verlief der Systemwandel mit wenig, wenngleich auch tragischem, Blutvergießen. Und in der letzten Phase war die gesellschaftliche Stimmung erstaunlicherweise nicht einmal hasserfüllt.

Die heutigen Trennlinien erinnern ein wenig an die aus der Zwischenkriegszeit, obwohl die Differenzierung zwischen Polen und Ukrainern sowie insbesondere Juden ersetzt wurde durch die Unterscheidung zwischen den Menschen, die sich selbst als Patrioten bezeichnen und denen, die jene Menschen als kommunistische Nachkommen darstellen. Die Ersteren werfen den Gegnern vor, die polnische Geschichte herabzusetzen, mit den Deutschen gemeinsame Sache zu machen; zum Vorwurf wird überdies der Dienst der Vorfahren in der deutschen Armee. Sie reden schlecht über die Deutschen (ohne wahrzunehmen, wie viele Jahre seit dem Zweiten Weltkrieg vergangen sind), über die LGBT+, über die Europäische Union, über die Klimaaktivisten, über die Migranten. Sie äußerten sich ehemals negativ über die Ukraine, wegen der Verbrechen an Polen in Wolhynien 1943. Gegenwärtig, nach Russlands Aggression gegen die Ukraine ändert sich die Gewichtung des Diskurses. Russland wurden früher nicht nur kommunistische Verbrechen vorgeworfen (denen übrigens auch viele Russen zum Opfer gefallen sind), sondern ebenso ein Attentat auf das Flugzeug mit Polens politischer Elite am Bord. Diese Menschen, darunter der Präsident der Republik Polen, waren 2010 auf dem Weg nach Katyn, wo Feierlichkeiten zum Jahrestag der Ermordung polnischer Offiziere durch Stalin stattfinden sollten. Das Flugzeug stürzte ab, niemand überlebte. Wenn die Attentat-Theorie aufrechterhalten werden sollte, so hätte das nur Russland tun können. Zwar wurden keine überzeugenden Beweise für ein Attentat vorgestellt, aber heute reicht der Überfall auf die Ukraine, um grundsätzlich gegen Russland zu sein. Die russische Aggression gegen die Ukraine ist einer der wenigen Punkte, bei dem die zerrissene polnische Öffentlichkeit meistens einer Meinung ist.

Erneut führten innere politische Spannungen in Polen wie schon 1922 zur Tragödie. Wer weiß, ob die Katastrophe der Präsidentenmaschine nicht aus Fahrlässigkeit bei der Flugvorbereitung resultierte. Die mangelnde Sorgfalt ergab sich aus der innenpolitisch verursachten Hektik: Der Präsident sollte nämlich den stalinistischen Opfern die Ehre erweisen. Da es schwierig ist vorzugeben, mehr darüber zu wissen, beschränke ich mich auf den Verweis darauf, wie die Rechte jene Tragödie politisch ausnutzte: Sie hatte glattwegs angedeutet, die politischen Gegner hätten sich an der Herbeiführung der Flugzeugkatastrophe beteiligt. Des Weiteren wurde der Kult um den toten Präsidenten aufgebaut. Er wurde auf der Wawel-Burg in Krakau neben den Königen Polens beigesetzt (Gabriel Narutowicz in der Johanniskathedrale in Warschau); nicht allein die Jahrestage, auch die Monatstage werden gefeiert, Denkmäler werden gebaut. Das bekannteste Denkmal steht an einem prominenten Ort, auf dem Piłsudski Platz in Warschau. Die Entscheidung über den Standort wurde ohne die Einwilligung der Stadtbehörden getroffen; der Platz wurde aus dem Stadtgebiet ausgegliedert.

Im Zusammenhang mit den gegenwärtigen Konflikten wurden zwei Personen von Einzeltätern getötet. 2010  wurde Marek Rosiak, Assistent eines der PiS-Abgeordneten im EU-Parlament in Łódź aus politischen Motiven getötet. Trotz der Tragödie, die jeden Tod begleitet, hat dieser Todesfall keine wesentliche politische Bedeutung gehabt. Die Ermordung des Danziger Stadtpräsidenten Paweł Adamowicz 2019 war dagegen ein tragisches Ereignis von großer politischer Tragweite. Gewiss ist kein Begegnis gänzlich vergleichbar mit einem anderen, also ist es unmöglich, einen direkten Verglich zwischen der Tötung von Gabriel Narutowicz und Paweł Adamowicz zu ziehen. Das eine wie das andere Ereignis sind auf politische Anspannung, auf Hetze gegen einzelne Personen, summa summarum auf die politische Spaltung des Landes zurückzuführen. Viele Polen assoziierten die Ermordung von Adamowicz mit der von Narutowicz. Die Trauerkundgebungen, die Mitte Januar 2019 veranstaltet wurden, und die gewissermaßen gegen die Stimmung im Land gerichtet waren, fanden in Warschau vor der Galerie Zachęta statt.  Wie wir uns erinnern, wurde dort Narutowicz getötet. Wie schon so oft, liefert die Geschichte die passenden Worte für die Stellungnahmen zu heutigen Ereignissen.

 

 

Marcin Kula

Marcin Kula

Marcin Kula, Historiker und Soziologe, emeritierter Professor an der Universität Warschau. Er spezialisiert sich auf die lateinamerikanische Geschichte, die jüngere polnische Geschichte, forscht zu Migration und nationalen Minderheiten sowie Geschichte der Soziologie. 

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