Am 22. Juni jährt sich der deutsche Überfall auf die Sowjetunion zum 80. Mal. Mit dem „Unternehmen Barbarossa“ radikalisierte sich der vom Deutschen Reich am 1. September 1939 entfesselte Zweite Weltkrieg, dem zunächst Polen zum Opfer fiel, und der im Sommer 1941 zum umfassenden rassistischen Vernichtungskrieg im Osten wurde. Er trat in eine neue, brutale und – angesichts von über 27 Mio. Toten – in seine opferreichste Phase ein. Von Beginn an war etwa der Tod von Millionen durch Hunger einkalkuliert, da die Wehrmacht aus dem Lande ernährt werden sollte. Insbesondere die heutigen Staaten Belarus, die Ukraine und Russland sowie deren Zivilbevölkerung litten unter der grausamen deutschen Besatzung. Ihre Kriegsschicksale stehen heute noch immer im deutschen „Erinnerungsschatten“.
Schon lange bemühen sich zivilgesellschaftliche Initiativen, die wenig beachtete Opfergruppen stärker im kollektiven Gedächtnis der Deutschen zu verankern. Im letzten Jahr hat nun auch der Deutsche Bundestag in zwei Resolutionen vom 9. bzw. 30. Oktober 2020 beschlossen, in der deutschen Hauptstadt ein Dokumentations-, Bildungs- und Erinnerungsstätte zur deutschen Besatzungsherrschaft im Zweiten Weltkrieg in ganz Europa sowie einen Gedenkort für die polnischen Kriegs- und Besatzungsopfer zu errichten.
Vor diesem Hintergrund und anlässlich des 80. Jahrestages erinnern die deutsch-belarussische gesellschaft e.V. und die Stiftung für deutsch-polnische Zusammenarbeit an den Überfall der deutschen Wehrmacht auf die Sowjetunion mit einer Podiumsdiskussion, die das folgenschwere Ereignis kontextualisiert und es aus der Perspektive von Belarus und der Ukraine nachzeichnet. Beide damaligen Sowjetrepubliken waren vom Angriff der deutschen Wehrmacht am 22. Juni 1941 zuallererst betroffen. Zugleich markiert dieser Tag für beide nicht den Beginn von Krieg und Gewalt. Hier gilt es, den 17. September 1939 in Erinnerung zu rufen, als die Rote Armee dem Hitler-Stalin-Pakt entsprechend die Ostgebiete Polens besetzte und in Städten wie Brest, Grodno oder Lemberg ihre Herrschaft gewaltsam etablierte.
Es ist keine leichte Aufgabe und sollte doch immer das Ziel jeder sachlichen Debatte über den Zweiten Weltkrieg sein, der enormen Komplexität der damaligen Ereignisse und den verschiedenen (Opfer-)Perspektiven gerecht zu werden. Auch diese Einladung zum differenzierten Gedenken an den 22. Juni 1941 und zum Gespräch über divergierende Narrative hat diesen Anspruch.
Folgende Podiumsgäste werden dazu beitragen, dass dies am Vorabend des Jahrestages gelingt:
Juri Durkot, Übersetzer und Publizist (Lviv)
Dr. Ihar Melnikau, Zeithistoriker (Minsk)
Prof. Dr. Claudia Weber, Zeithistorikerin, Professorin an der Europa-Universität Viadrina (Frankfurt/O.)
Dr. Ernest Wyciszkiewicz, Politikwissenschaftler, Direktor des Zentrums für polnisch-russischen Dialog und Verständigung (Warschau)
Einführung und Moderation: Markus Meckel, ehem. Außenminister der DDR, MdB a.D. (Berlin)
Das Gespräch wird am 21. Juni 2021 um 17:00 Uhr in drei Sprachfassungen (DE/PL/RU) im Internet (YouTube/ fb) veröffentlicht – die deutsche Version wird hier und auf dem fb-Profil der SdpZ zu sehen sein. Die Veranstaltung wird aus Mitteln des Auswärtigen Amtes gefördert.