Zum Inhalt springen

Zdzisław Jurkiewicz: Die Sonne in der Küche

Zdzisław Jurkiewicz: Die Sonne in der Küche

Vernissage: Donnerstag 26.05.22, 17:00

Seit 1964 lebte und arbeitete Zdzisław Jurkiewicz in einer kleinen Wohnung in der Łaciarska-Straße in Wrocław und es war eine Figur, die verschiedene Aspekte des Werkes des Künstlers miteinander verband, und noch etwas mehr: sie war ein Zentralpunkt, an dem sich alle für ihn interessanten, so zahlreichen Themen und Motive, kreuzten.

In dieser Wohnung in der Łaciarska-Straße entstanden alle Kunstwerke, die man in der Ausstellung sehen konnte: Objekte, Gemälde und Fotografien. Natürlich diese Wohnung geht weit über die traditionell verstandene Rolle und Funktion eines Kunstateliers hinaus, dabei geht es auch nicht nur um den genius loci. So wurde die Wohnung von Jurkiewicz in den 70er Jahren auch zu einer Art Beobachtungskapsel, einem Labor und einem botanischen Garten zugleich. Jurkiewicz führte von seinem Zimmerfenster aus astronomische Beobachtungen durch. Gleichzeitig stellte in seiner Küche eine Art Sonnenfalle auf und hielt sie fotografisch fest. So ist das Kunstwerk Słońce 1.VII.1972 (1972) entstanden – in einer Folge von Schwarz-Weiß-Fotografien sehen wir eine Sonnenscheibe an einer Küchenwand, umgeben von gewöhnlichen Gegenständen, Geschirr, Schnittlauch in einem Glas. Es ist sowohl eines der wichtigsten Werke des Künstlers als auch das Schlüsselwerk der Ausstellung, weil es perfekt zeigt, wie in Jurkiewiczs Werken das Ferne, das Unerreichbare mit dem Nahen, dem Alltäglichen, dem Gewöhnlichen zusammenkam.

Jurkiewiczs Strategie, die er vor mehr als 50 Jahren angenommen hatte – indem er sein Werk auf Mikro- und Makrobeobachtungen des alltäglichen Lebens in all seinen Erscheinungsformen angesiedelte, die er in seiner Wohnung durchgeführt hatte – schwingt in besonderer Weise in der globalen Situation mit, in der wir uns alle aufgrund der Pandemie befinden, die Anfang 2020 begann und immer noch andauert. Seit mehreren Monaten „bleiben wir zu Hause”, wie ein zu Beginn der Pandemie beliebter Slogan in den sozialen Medien lautete. Vorbei sind unsere noch gar nicht so lange zurückliegenden Reisen zu einem anderen Kontinent, an ein anderes Ende der Welt, die leicht in einem halben Tag zu bewältigen waren. Gerade deshalb sind Jurkiewiczs Haltung und sein Wirken, die das Private und das Schöpferische verbinden, und auf der Offenheit gegenüber der Realität und ihrer aufmerksamen, kontemplativen Beobachtung, auf Neugier und dem Verlangen nach Wissen basieren, das hier und jetzt erfüllt werden kann, egal wo wir uns gerade befinden, ohne auf einen anderen Kontinent oder einen anderen Planeten reisen zu müssen, heute so aktuell sind.

Kuratorin: Dr. Marika Kuźmicz

Symbol News-Alert

Bleiben Sie informiert!

Mit dem kostenlosen Bestellen unseres Newsletters willigen Sie in unsere Datenschutzerklärung ein. Sie können sich jederzeit austragen.