Mit neun Jahren erlebte er den Einmarsch der Roten Armee in seiner ostpolnischen Heimat, zwei Jahre später die Besetzung durch die Deutschen. Nur knapp entging er der Deportation …
Mehr als siebzig Jahre später blickt Anatol Gotfryd auf ein ereignisreiches und glückliches Leben zurück. Die Patienten-Gästebücher aus seiner Berliner Zahnarztpraxis sind ein Who is Who der kulturellen Avantgarde und selbst schon Kunstwerke, in denen sich Dutzende von Künstlern, Schauspielern, Regisseuren und Schriftstellern verewigt haben, von Markus Lüpertz und Rebecca Horn über Günter Grass und Heiner Müller, Harald Juhnke und Rainer Werner Fassbinder bis zu Peter Stein und George Tabori. Oft wurden aus Patienten enge Freunde.
„Heiner Müller hatte sogar die Größe, aus seiner Ambivalenz einen Scherz zu machen. Zu seiner Lesung aus der ‚Wolokolamsker Chausee‘ in der ‚Galerie Springer‘ hatte ich mich verspätet. Als ich hereinkam […] unterbrach er die Lesung und zeigte auf mich. ‚Falls ich eine undeutliche Aussprache habe, dann hat es mein Zahnarzt zu verantworten‘, sagte er verschmitzt und die Anwesenden lachten.“
Anatol Gotfryd im Gespräch mit Dorota Danielewicz.
Eintritt: 4€
Dr. Anatol Gotfryd, 1930 geboren, war Zeuge der deutschen Besetzung Polens und des Warschauer Aufstandes 1944. Nach dem Zweiten Weltkrieg studierte er in Breslau Zahnmedizin und ging 1958 nach Westberlin, wo er zunächst in einem
US-Militärhospital arbeitete und 1962 mit seiner Frau Danka, die ebenfalls Zahnärztin ist, eine Praxis eröffnete. 2005 erschien sein erster Erinnerungsband Der Himmel in den Pfützen. Ein Leben zwischen Galizien und dem Kurfürstendamm.
Dorota Danielewicz, Schriftstellerin und Literaturwissenschaftlerin, wurde im polnischen Posen geboren. 1981 siedelte sie in das damalige West-Berlin um. Sie studierte Ethnologie und Slawistik an der Freien Universität Berlin und an der Ludwig-Maximilians-Universität