Unmittelbar vor der Unterzeichnung des »Warschauer Vertrags« am 7. Dezember 1970 legt Willy Brandt vor dem Denkmal für den Aufstand im Warschauer Ghetto von 1943 einen Kranz nieder. Alle verstummen plötzlich, einige flüstern: »Er kniet.« Tatsächlich ist der Bundeskanzler auf die Knie gesunken und verharrt dort etwa eine halbe Minute.
Diese Bitte um Vergebung für die millionenfach begangenen deutschen Verbrechen an Juden, jüdischen und nicht-jüdischen Polen ist wohl spontan passiert – das symbolische Bild geht um die Welt und ist längst zur Ikone geworden.
Die Demutsgeste wird 1970 zwar weder im Innern noch im Ausland durchgehend positiv aufgenommen, aber die ihr zugeschriebene Bedeutung für die westdeutsch-polnische Entspannung wird im Nachhinein stets in Superlativen formuliert.
Dabei kommen Bild und Geste im offiziellen polnischen Diskurs bis 1989 gar nicht vor. Die Zeitungen veröffentlichen als Randnotiz oder erst später Bildversionen, die den Bezug zum Warschauer Ghetto oder auch den Kniefall als solchen nicht erkennen lassen.
Wie repräsentieren Bilder, Filme und Literatur polnische Geschichte und Gegenwart? Wie haben sie unsere Vorstellungen über das Nachbarland geprägt? Das Foto des knieenden Bundeskanzlers und andere Bildikonen dienen als Ausgangspunkte für spannende Fragen über das Verhältnis von Repräsentation und Ereignis.
Vortrag: Prof. Dr. Yvonne Kleinmann
Montag, 22. Februar 2021, 17.30 Uhr
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Veranstalter: Deutsches Polen-Instutut
Der Vortrag begleitet die digitale Ausstellung des Deutschen Polen-Instituts zum Thema deutsch-polnische Beziehungen – zumal auch das Institut selbst mit seinem 40. Geburtstag ein rundes Jubiläum feiert. In unserer Ausstellung zeichnen wir die beiden Zeitspannen nach – 50 Jahre seit Kniefall und Verträgen, 40 Jahre seit der Gründung des DPI. Ein halbes Jahrhundert für den deutsch-polnischen Dialog. Sozusagen »vom Vertrag zum Vertragen«.