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Das Trimarium

Die Idee einer Zusammenarbeit zwischen den Ländern, die zwischen der Adria, der Ostsee und dem Schwarzen Meer liegen, gibt es nicht erst seit gestern und sie ist keine exzentrische Wunschvorstellung der Partei Recht und Gerechtigkeit (PiS). Vielmehr ist sie in der polnischen Geschichte und dem polnischen geopolitischen Denken tief verankert. Paradoxerweise steht jedoch die PiS selbst dieser Idee im Wege – obwohl sie für diese am stärksten wirbt – da die Partei ein ernstes Problem mit der Europäischen Union hat, in deren strukturellen Rahmen die Idee eingebunden werden müsste, falls sie erfolgreich umgesetzt werden soll.

 

©Mirosław Gryń

Anfang Juli fand in Warschau der zweite Trimarium-Gipfel statt, auf dem Vertreter aus 12 Ländern aus der Region zusammenkamen (aus Österreich, Bulgarien, Kroatien, Tschechien, Estland, Litauen, Lettland, Polen, Rumänien, der Slowakei, Slowenien und Ungarn). Die Bedeutung des Gipfels wurde entschieden von der Tatsache aufgewertet, dass der US-Präsident Donald Trump daran teilnahm. Auf diese Weise wurde die Trimarium-Initiative, deren Kerngedanke eine Zusammenarbeit der zwischen Adria, Ostsee und Schwarzem Meer gelegenen Länder ist, zum wichtigsten Fundament (neben der Beziehungen zu den USA) der Außenpolitik der PiS-Regierung.

 

Wie allgemein bekannt, behauptet die regierende Partei, die Vorgänger-Regierung habe die regionale Zusammenarbeit vollkommen vernachlässigt. Die Opposition wirft der PiS wiederum vor, die Trimarium-Idee sei ein absolutes Hirngespinst, realitätsfern und schade den polnischen Interessen. Die Wahrheit sieht, wie immer, etwas komplizierter aus. Polen unter der PiS-Regierung hat seine Aktivität im Rahmen des Trimariums entschieden erhöht, aber die Region selbst stellt für Warschau keine tabula rasa dar. Viele Initiativen sind bereits unter der Vorgänger-Regierung oder noch davor entstanden. Dies geht auf die Tatsache zurück, dass die Trimarium-Idee in der polnischen Geschichte und geopolitischem Denken tief verankert ist.

 

Gleich wichtig für den Erfolg des gesamten Projektes ist die Betrachtung des Trimariums als integralen Bestandteil Gesamteuropas, darunter – heute insbesondere – der Europäischen Union. Die entscheidende Frage ist dabei: Kann Polen, der größte Befürworter dieser Idee, diese auf eben diese Art und Weise betrachten, sprich, als integralen Bestandteil des europäischen Projektes?

 

Die Trimarium-Region ist sehr heterogen. Die Hälfte der dazugehörigen Länder ist in der Eurozone (Österreich, Slowenien, Litauen, Lettland, Estland), die übrigen haben zwar ihre eigene Währung (Bulgarien, Kroatien, Tschechien, Polen, Rumänien, Ungarn), unterscheiden sich aber grundsätzlich in ihrer Haltung gegenüber der Einführung des Euros. Tschechien, Polen und Ungarn stehen einem Beitritt zur Eurozone skeptisch gegenüber – im Gegensatz zu Bulgarien, Kroatien und Rumänien. Manche Länder des Trimariums gehören nicht zum Schengen-Raum (Bulgarien, Kroatien, Rumänien). Bis auf Österreich gehören alle Trimarium-Länder zur NATO. Aber ihre Verteidigungshaushalte sind, der Stärke ihrer Wirtschaften entsprechend, extrem unterschiedlich. Auf der einen Seite sind Polen und Estland (2 % BIP), auf der anderen Österreich, Slowenien und Ungarn (0,7-0,8 % BIP).

 

Dieses mosaikartige Gebilde hat zur Folge, dass man es in den entscheidenden Fragen mit einem breiten Spektrum an Meinungen zu tun hat: sei es in Bezug auf die Haltung gegenüber Russland oder auf die Form der europäischen Integration. Die Staatspräsidenten Österreichs und Tschechiens sind zum Trimarium-Gipfel nach Warschau nicht gekommen. Tschechien wurde lediglich vom Vorsitzenden des Abgeordnetenhauses repräsentiert, und Österreich von seinem Botschafter. Das Fehlen der beiden Staatsoberhäupter scheint davon zu zeugen, dass diese Länder der Trimarium-Initiative mit einer gewissen Distanz begegnen. Und ihre Abwesenheit schwächt sie ernsthaft, denn es handelt sich dabei um Länder mit den (nach Polen) stärksten Wirtschaften in der Region und dem größten Bruttoinlandsprodukt pro Kopf. Ihr gemeinsames BIP ist nur unwesentlich kleiner als das aller übrigen Länder des Trimariums (ohne Polen) zusammen.

 

Es ist also auch kein Zufall, dass Präsident Trump bei dem Gipfel in Warschau kaum auf das Thema militärische Sicherheit einging und sich auf die Energie-Fragen konzentrierte, hauptsächlich auf deren ökonomischen Aspekt. Diese Haltung ist auf die ernsthaften Differenzen zwischen den Trimarium-Ländern zurückzuführen.

 

Die polnische Seite unterstrich bei dem Gipfel, die Schlüsselbedeutung für diese Region habe die Diversifikation von Gaslieferungen (die Einschränkung der russischen Beteiligung) durch den Kauf vom amerikanischen Flüssigerdgas und dessen Transport zu den (bereits existierenden oder geplanten) LNG-Terminals, von wo aus es an die anderen Länder in der Region geliefert werden solle. Nur knapp vor dem Trimarium-Gipfel in Warschau     unterzeichnete jedoch Ungarn einen Vertrag mit dem russischen Konzern Gazprom hinsichtlich seiner Beteiligung am Projekt Turkish Stream, zu dem Bulgarien bereits gehört. Auch Österreich und die Slowakei signalisierten Interesse, sich dem Vorhaben anzuschließen. Ziel des Projektes Turkish Stream ist es, die russischen Gaslieferungen nach Mitteleuropa zu erhöhen – an der Ukraine vorbei. Zurzeit gehört Ungarn zu den EU-Ländern mit den intensivsten Beziehungen zu Russland und kann als „Taschen-Anwalt“ Russlands in der EU bezeichnet werden. Eine ähnliche, konziliante Russland-Politik betreiben u. a. die Slowakei, Österreich und Bulgarien. Den Gegenpol dazu bilden Rumänien, Polen, die baltischen Staaten, die gegenüber der neoimperialen Kreml-Politik eine grundsätzlich ablehnende Haltung den Tag legen.

 

Trotz der unterschiedlichen Tendenzen ist unter den Trimarium-Ländern leicht eine Mehrheit feststellbar, die sich bei den wichtigsten Fragen auf eine gemeinsame Haltung einigen kann. Ein Beispiel: Selbst die am stärksten prorussischen Trimarium-Staaten sind nicht bereit, gegen die Russland-Sanktionen der Europäischen Union ein Veto einzulegen. Sicher, je größer eine Länder-Koalition ist, desto kleiner ist auch der gemeinsame Nenner, auf den man einigen kann. Damit das Trimarium als ein vielseitiges und dichtes Beziehungsnetz funktioniert, bedarf es ebenfalls guter bilateraler Beziehungen zwischen den Ländern, die dazu gehören, was nicht immer klappt. Es reicht, einen Blick auf die sich wiederholenden Spannungen zwischen Ungarn und seinen Nachbarn (zurzeit betrifft es Rumänien) oder das polnisch-litauisches Verhältnis zu werfen.

 

Vom Intermarium zum Trimarium

Die innere Heterogenität des Trimariums ist auf eine fehlende gemeinsame Staatstradition zurückzuführen, welche die Länder in dieser Region verbinden könnte. Das gemeinsame Erbe eines Imperiums oder einer Staaten-Union ist bei dem Trimarium nicht zu finden. Einer Vereinigung des gesamten Trimarium-Gebiets kam die Jagiellonen-Dynastie am nächsten, deren Vertreter über die entschiedene Mehrheit der Länder in der Region herrschten. Auch die in Warschau regierende Wasa-Dynastie träumte von einer großen Reconquista des osmanischen Balkans. Das Leitmotiv der Politik von Fürst Adam Czartoryski im 19. Jahrhundert, des Anführers der polnischen politischen Emigration, bildete  die Idee einer Wiederherstellung – mit britis

cher, französischer und türkischer Unterstützung – einer Polnischen Republik in einer Föderation mit Tschechien, Rumänien, der Slowakei, Ungarn und den Südslawen.

 

Die Konzeption des Intermariums nahm Polen nach der Wiedererlangung seiner Unabhängigkeit 1918 wieder auf. Es war ein Versuch, ein Gegengewicht zu Moskau und Berlin zu schaffen. Häufig wurde sie mit der Prometheus-Konzeption verbunden (einer Befreiung nichtrussischer Völker von der Sowjetunion) sowie mit der Idee einer mitteleuropäischen Föderation nach dem Vorbild und der Tradition der Union zwischen Polen und Litauen aus der Zeit vor der Teilung Polen-Litauens. In jeder Variante dieser Konzeption sollte Polen die Position einer Großmacht zukommen.

 

Während des Zweiten Weltkrieges versuchte die polnische Exilregierung, die Staaten in der Region davon zu überzeugen, ein föderales Bündnis zu gründen, zu dem Polen, die Tschechoslowakei, Litauen, Ungarn und eventuell auch Rumänien gehören würden. Dieses Bündnis sollte mit einer griechisch-jugoslawischen Föderation eng zusammenarbeiten. 1942 wurde sogar von den Regierungsvertretern der Tschechoslowakei, Polens, Griechenlands und Jugoslawiens eine Deklaration zur Bildung eines Planungsrats für Mittel- und Osteuropa unterzeichnet. Alle dieser Versuche endeten jedoch in einem Fiasko. Sie scheiterten an den unterschiedlichen Haltungen der einzelnen Länder gegenüber Deutschland und der Sowjetunion, an nicht ausreichenden ökonomischen Verbindungen, am Druck von Großmächten oder bilateralen Problemen. Und dann kam die Konferenz von Jalta.

 

Nach 1989 kam die Trimarium-Initiative also nicht aus dem Nichts. Müsste ich ihre Ergebnisse zusammenfassen, würde ich in allererster Linie auf die Frage der Sicherheitspolitik hinweisen. An dieser Stelle soll nur an die wichtigste Initiative der letzten Jahre auf diesem Gebiet erinnert werden. Im November 2015 fand, auf eine Initiative Polens und Rumäniens hin, ein informeller Gipfel der an der NATO-Ostflanke gelegenen Staaten in Bukarest statt, an dem die Staatspräsidenten Estlands, Litauens, Lettlands, Polens, Rumäniens, Bulgariens, der Slowakei, Ungarns und der Vorsitzende des tschechischen Parlaments teilnahmen sowie der stellvertretende NATO-Generalsekretär. Bei diesem Treffen wurde eine gemeinsame Position vor dem NATO-Gipfel in Warschau im Juli 2016 ausgearbeitet.

 

Im September 2015, bei der UNO-Plenarsitzung, kamen die Vertreter des sogenannten Adria-Ostsee-Schwarzmeer-Formats zusammen. Ein Jahr später, nach den Gesprächen zwischen Polen und Kroatien, den größten Befürwortern einer Zusammenarbeit in diesem Format, einigte man sich auf den Namen „Trimarium“. Krzysztof Szczerski, Minister in der Präsidentenkanzlei, fasste damals zusammen: „Beim ‚Trimarium‘ geht es tatsächlich um einen Begriff, der die Bezeichnung ‚ABC‘ [ABC für die polnischen Namen: Adriatyk, Bałtyk, (Morze) Czarne – Anm. d. Übers.] ersetzt, denn in sprachlicher Hinsicht ist ‚ABC‘ nicht universell. In verschiedenen Ländern haben diese Meere (die Adria, die Ostsee, das Schwarze Meer) unterschiedliche Namen, obwohl ich zugeben muss, der Begriff ‚ABC‘ funktioniert in Polen sehr gut. Die Bezeichnung ‚Intermarium‘ wird wiederum stark geopolitisch und historisch assoziiert. Uns liegt aber viel daran, eine Zusammenarbeit der Länder in dieser Region vor allem im Bereich der wirtschaftlichen Entwicklung und Infrastruktur sowie der Sicherheitspolitik zu vertiefen.“ Im Endeffekt fand Ende August 2016 das erste Forum unter dem Namen „Trimarium“ in Dubrovnik statt.

 

Economy, stupid!

Deshalb kann auch nicht behauptet werden, die Trimarium-Idee sei ein realitätsfernes Hirngespinst. In den letzten Jahren konnte man beobachten, dass die Zusammenarbeit auf der Nord-Süd-Achse sich auf verschiedenen Ebenen entwickelte. Die Staaten des Trimariums im engeren Sinne (die nach 2004 der EU beigetreten sind) verbinden zum Beispiel gemeinsame Interessen im Rahmen der EU (wie der EU-Haushalt, die EU-Infrastruktur- und Energie-Projekte, das EU-Klimapaket), sodass sie als Visegrád-Gruppe innerhalb der EU zusammen agieren können. Darüber hinaus wurde im Rahmen der Gruppe der V4 Plus-Mechanismus eingeführt, der an die Nachbarn im Süden und Norden gerichtet ist.

 

Die Entwicklung der Zusammenarbeit auf der Nord-Süd-Achse findet ihre Begründung auch in der wirtschaftlichen Dynamik der entlang der Achse gelegenen Länder. Ihre Mehrheit gehört zu den sich am schnellsten entwickelnden Wirtschaften innerhalb der EU. Die fortschreitende Zusammenarbeit im Bereich der Verkehrsinfrastruktur (zum Beispiel   Interkonnektoren, Grenzübergänge, Eisenbahnstrecken und Straßen) trägt zur Entwicklung des Verbindungsnetzes in der gesamten Region bei. Auf der anderen Seite, obwohl die Trimarium-Initiative bereits seit knapp zwei Jahren funktioniert, sind die zwischen Kroatien und Polen in Warschau unterzeichneten Verträge im Wert von 45 Millionen Euro der einzige messbare Erfolg der stattgefundenen Gipfel. Sollte es in den kommenden Jahren nicht zur Unterzeichnung einer größeren Zahl solcher Verträge kommen, was beträchtliche finanzielle Aufwendungen seitens der einzelnen Länder voraussetzen würde, muss die gesamte Initiative für gescheitert erklärt werden.

 

Die Schlüsselbedeutung kommt also der Wirtschaft zu. Das wichtigste Verkehrsinfrastruktur-Projekt im Rahmen des Trimariums ist für die polnische Regierung die Via Carpathia: die Schaffung eines Transportkorridors durch einen Ausbau von Verkehrswegen (Schnellstraßen und Autobahnen), der es ermöglicht, das litauische Klaipėda mit den Häfen am Mittelmeer (Saloniki in Griechenland), am Schwarzen Meer (Constanţa in Rumänien) und dem an der bulgarisch-türkischen Grenze liegenden Svilengrad zu verbinden. Die Route soll über Litauen, Polen, die Slowakei, Ungarn, Rumänien, Bulgarien und Griechenland führen. Vorgesehen ist ebenfalls der Bau von Abzweigungen in die Ukraine, in die Türkei und nach Weißrussland sowie in Richtung der Häfen in Gdingen und Danzig. Im März 2016 in Warschau wurde von den Vertretern Litauens, Ungarns, Polens, Rumäniens, der Slowakei, der Türkei und der Ukraine eine gemeinsame Erklärung unterzeichnet. Dieser schloss sich später auch Bulgarien an.

 

Ein wichtiger Test für das Trimarium-Konzept wird auch die Fähigkeit der mitteleuropäischen Länder zur Mitfinanzierung eines Großprojekts sein: des Baus eines Kanals, der die Donau, die Oder und die Elbe miteinander verbinden soll. Es wäre ein sehr wichtiger Verkehrsweg zwischen der Ostsee, dem Schwarzen Meer und der Nordsee. Nach langjährigen Gesprächen soll dieses Jahr eine Machbarkeitsstudie durchgeführt werden. Die Höhe der Investition würde mehr als zehn Milliarden Euro betragen. Es wird nicht ohne eine Finanzierung von außen gehen (durch die EU und ausländische Banken), die Voraussetzung dafür ist aber, dass die Mitglieder der Visegrád-Gruppe selbst tief in ihre Taschen greifen und entsprechende Geldbeträge auslegen. Wichtig ist auch eine gemeinsame Lobbyarbeit für die Investition, darunter eine Erweiterung der Koalition durch die Zusammenarbeit mit Deutschland, Österreich oder Rumänien.

 

Der Traum von Macht und nationaler Demokratie

Die Trimarium-Konzeption hängt mit der innenpolitischen Situation in Polen zusammen. Die PiS-Regierung nimmt sich das von Viktor Orbán regierte Ungarn regelrecht zum Vorbild, um eine illiberale Demokratie aufzubauen (eine Art national-populistische Demokratie, ein Hybridsystem mit autoritären Elementen), die sich auf den vermeintlichen Willen einer ethnisch definierten Nation stützt. Einer Einschätzung von Freedom House zufolge, einer renommierten Organisation, die politische Systeme weltweit beurteilt, befinde sich Ungarn an der Grenze zum Abstieg in die Kategorie der nur eingeschränkt freien Staaten –  in der Geschichte der EU wäre das ein erster Fall dieser Art. Laut Freedom House schlage Polen unter der PiS-Regierung ganz eindeutig den gleichen Weg ein. Der Widerstand der EU-Institutionen (unterstützt von der entschiedenen Mehrheit der EU-Mitgliedsstaaten) gegenüber dieser Art von Politik führte dazu, dass die PiS begann, die Idee des Trimariums als ein potenzielles Werkzeug zu betrachten, um dem Druck seitens der EU, und insbesondere Deutschlands, entgegenzuwirken, den Status einer regionalen Macht zu erlangen und die Position Polens zu stärken, die nun in Brüssel schwächer wurde aufgrund der Spannungen zwischen Warschau und den größten EU-Mitgliedsstaaten.

 

Die PiS-Politiker schwören natürlich darauf, die Trimarium-Idee habe keine geopolitischen Konnotationen und sei gegen niemanden gerichtet. Angeblich per Definition solle sie in das Projekt der Europäischen Union eingebunden werden. Aber mit der PiS kam eine enorme Ideologisierung der Außenpolitik (Polen sei eine Insel der Freiheit, umgeben von der Diktatur der politischen Korrektheit). Deshalb sollte es auch nicht verwundern, dass Jarosław Kaczyński während einer Debatte mit dem ungarischen Ministerpräsidenten Viktor Orbán bei dem jüngsten Wirtschaftsforum in Krynica die regionale Zusammenarbeit in Ostmitteleuropa der deutschen Vorherrschaft in der EU entgegensetzte. Die beiden Politiker forderten die Region zu einer zivilisatorischen Reconquista der EU auf („zur kulturellen Gegenrevolution“). In etwas abgeschwächter Form stellte auch Präsident Andrzej Duda bei dem ersten Gipfel der Trimarium-Staaten in Dubrovnik seine Überzeugung dar, die Trimarium-Region müsse ihren eigenen Weg finden: „Es ist nötig, das Beziehungssystem zwischen dem ‚Zentrum‘ und der von ihm definierten ‚Peripherie‘ zu nuancieren, das auf einem einseitigen Transfer von politischen, ökonomischen und kulturellen Lösungen basiert. Dieses System ignoriert häufig die nationale Sensibilität und den lokalen Kontext, der auf eine andere Geschichte und Tradition zurückgeht.“ Sławomir Dębski, Chef des Polnischen Instituts für Internationale Angelegenheiten, das dem Polnischen Außenministerium unterliegt, sagte, das Trimarium sei ein Konzept, das sich Europa der zwei Geschwindigkeiten widersetze. Und weiter: „Ein Europa, das sich auf eine Logik von Spaltungen, auf die Diktatur der Stärkeren, auf ein Modell Zentrum-Peripherie stützt, zu dem die Idee einer ‚Union der zwei Geschwindigkeiten‘ führt, hat keine Zukunft. Dieses Europa wird keine Anziehungskraft sowohl für die eigenen Gesellschaften als auch für seine Nachbarn haben. Eine auf solchem Modell basierende Integration wird zusammenbrechen. Alle Länder, die im Rahmen der Trimarium-Initiative zusammenarbeiten, sind mit Sicherheit nicht an einem Modell interessiert, bei dem die EU in zwei Zonen aufgeteilt wird: ein wohlhabendes, aber von der Integration gelangweiltes Zentrum, und eine arme, auf die Rolle passiver Zuschauer reduzierte Peripherie, und weniger politisch korrekt ausgedrückt, in eine Metropole und Kolonien. Um das zu vermeiden, wollen die Trimarium-Staaten eng zusammenarbeiten.“

 

Es gelang der PiS-Regierung, das Juli-Gipfeltreffen des Trimariums mit dem Polen-Besuch von Präsident Trump zu verbinden, welcher der erste auf dessen Reise nach Europa war. Im Endeffekt ermöglichte die Trimarium-Initiative der polnischen Regierung, den Vorwurf der Selbstisolation zu schwächen und sich als ein Partner zu präsentieren, der es schafft, eine breite Koalition auf der internationalen politischen Bühne zustande zu kriegen. So viel zu den Fakten, aber welche Bedeutung soll man ihnen zuschreiben? Nun, die Teilnahme des US-Präsidenten am Trimarium-Gipfel soll angeblich auf das große Potenzial einer ökonomischen Zusammenarbeit zwischen der Region und den Vereinigten Staaten zurückzuführen sein. Es reicht jedoch, sich die wirtschaftlichen Beziehungen zwischen Polen und den USA genauer anzusehen, um feststellen zu können, diese seien sehr begrenzt, wenn nicht sogar noch weniger. Ähnliches trifft auf die übrigen Trimarium-Staaten zu. Eine grundsätzliche Veränderung dieser Situation ist kaum vorstellbar, zumal die Region mit der Wirtschaft der Eurozone, und insbesondere Deutschlands, stark verbunden ist. Der polnische Export in die USA gleicht fast dem nach Ungarn (ca. 2,5 % des gesamten Exports) und ist zehnfach kleiner als der Export nach Deutschland. Auch die direkten Investitionen der USA in Polen sind sechsmal niedriger als die der Deutschen. Es sei auch daran erinnert, dass die EU die Entwicklung der Verkehrsinfrastruktur zwischen den Trimarium-Ländern im Rahmen der europäischen Verkehrskorridore (TEN-T) unterstützen will, nun geht es dabei nicht um das einfache Prinzip Norden-Süden von der Ostsee bis zur Adria und dem Schwarzen Meer. Unter den fünf Hauptkorridoren (TEN-T) ist nur der Verkehrskorridor Ostsee-Adria, der die an den beiden Meeren gelegenen Häfen miteinander verbindet, der einzige, der auf der Nord-Süd-Achse fast ausschließlich über die Trimarium-Länder verläuft. Obwohl bei der Trimarium-Initiative die Schlüsselrolle der Wirtschaft stets unterstrichen wird, haben an dem Gipfel in Warschau weder ein Vertreter der Europäischen Kommission, noch der Bundesrepublik teilgenommen, was im Zusammenhang der Deklaration über die Verankerung der Initiative in der EU und dem Wirtschaftsbereich verwunderlich ist.

 

Ohne Illusionen …

Die Trimarium-Konzeption ist mit Sicherheit kein Wunschdenken – dahinter stecken reale Interessen. Aber die entscheidende Bedeutung für die Perspektiven der Zusammenarbeit hat die Akzeptanz ihrer Grenzen, die auf die große Heterogenität der Region zurückzuführen sind. Darüber hinaus wäre es eine gefährliche Illusion, auch nur irgendeine Trimarium-Vision als eine Alternative oder in Opposition zur EU oder Deutschland zu denken. Eine solche politische Chimäre findet in den Ländern der Region keine Unterstützung. Dies zeigt am besten die Kluft zwischen dem Auftritt von Präsident Duda auf dem Gipfel in Dubrovnik und der Abschlusserklärung des Treffens. Die letztere unterstrich noch einmal, die Belebung der regionalen Zusammenarbeit dürfe nur ohne die Schaffung paralleler Strukturen zu den bereits existierenden Mechanismen der Zusammenarbeit erfolgen und solle die fundamentalen Werte und Grundsätze der Europäischen Union respektieren.

 

Für die Intensivierung der Zusammenarbeit im Rahmen des Trimariums ist es also enorm wichtig, auf dem Boden zu bleiben, große geopolitische oder zivilisatorische Visionen zu meiden und sich auf konkrete Projekte zu konzentrieren. Die große Heterogenität der Region hat zur Folge, dass zu den entscheidenden Faktoren die diplomatische Virtuosität und die Fähigkeit gehören, große Koalitionen zu bilden, sowie das Vermögen, die Trimarium-Zusammenarbeit in den größeren europäischen, eurasiatischen oder gar globalen Kontext zu setzen.

 

Deshalb sollte zum Schluss die Frage gestellt werden, ob Polen die erwähnten Voraussetzungen erfüllt. Das sieht eher schlecht aus. Das immer weniger demokratische Polen kann auf die Unterstützung der Trimarium-Staaten nicht zählen. An dieser Stelle soll nur an zwei Abstimmungen im Europäischen Parlament erinnert werden, wo die überwiegende Mehrheit der Abgeordneten der wichtigsten Regierungsparteien der Trimarium-Länder (außer der Partei Viktor Orbáns) für Beschlüsse stimmte, die die Innenpolitik der PiS-Partei verurteilten. Polen, das den Abbau der europäischen Integration entschieden fordert, dessen Beziehungen zu Deutschland schlechter werden und die zu Frankreich bereits schlecht sind, das antiliberale Änderungen im Land durchführt, die auf die Kritik seitens der EU stoßen – dieses Polen wird ein ernsthaftes Problem damit haben, sein Manifest Destiny zwischen der Adria, der Ostsee und dem Schwarzen Meer zu verwirklichen.

 

Aus dem Polnischen von Monika Satizabal Niemeyer

Adam Balcer

Adam Balcer

Politologe, Programmdirektor Kolegium Europy Wschodniej (Niederschlesien), lehrt am Institut für Osteuropastudien an der Universität Warschau.

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