Aureliusz M. Pędziwol spricht mit dem tschechischen Europa-Abgeordneten Alexandr Vondra
Der tschechische Europa-Abgeordnete Alexandr Vondra spricht sich unmissverständlich für die Unterstützung der Ukraine und ihre Aufnahme in NATO und Europäische Union aus, allerdings erst nach Ende des Kriegs. Er ist überzeugt, dass die EU bei den nächstjährigen Wahlen zum Europäischen Parlament nach rechts rücken und seine Fraktion sich verstärken wird. Er fürchtet, dass Donald Trump, sollte er die US-amerikanischen Präsidentschaftswahlen gewinnen, sich von einem Rachewunsch leiten lassen wird, was sich in seiner Politik niederschlagen könnte.
Aureliusz M. Pędziwol: Vor vier Jahren sagtest du in Breslau: „Ich war Mitbegründer der Visegrád-Gruppe, ich hatte die Vereinbarung unterschrieben, und wenn jemand ihr schaden sollte, dann werde ich persönlich losziehen und mit ihm abrechnen.“ Hast Du keine Angst, dieser Augenblick könnte jetzt bevorstehen?
Alexandr Vondra: Nein, ich glaube nicht. Ich erinnere mich nicht an diese Äußerung, aber jeder, der ein Haus gebaut hat, verteidigt es, wenn es jemand niederreißen will.
Klar. Aber Orbán und [der ungarische Außenminister Péter] Szijjártó werfen dem Westen schon seit Beginn des Kriegs Russlands gegen die Ukraine Knüppel zwischen die Beine, und bald könnte sich ihnen [der prospektive slowakische Ministerpräsident Robert] Fico anschließen. Welchen Sinn hat es demnach, die Visegrád-Gruppe [V4] am Leben zu erhalten, wenn Ungarn und die Slowakei in dieser ganz besonders wichtigen Frage des Kriegs sich gegen Tschechien und Polen stellen?
Wenn es um die ungarische Russlandpolitik geht, dann lehne ich diese selbstverständlich prinzipiell ab, und aus diesem Grund kühlen sich die Beziehungen zu Ungarn merklich ab. Das gilt sicher für Prag, aber auch für Warschau, dem das gar nicht gefällt.
Ja, wir haben hier ein Problem, aber das heißt nicht, dass wir deswegen Visegrád abreißen sollten, das Format hat [den slowakischen Ministerpräsidenten Vladimír] Mečiar überlebt, [den tschechischen Staatspräsidenten Miloš] Zeman und [den tschechischen Ministerpräsidenten Andrej] Babiš, und ich denke, es wird auch Orbán überleben.
Aus meiner Sicht ist an V4 das wichtigste der Internationale Visegrád-Fonds. Gibt es sonst noch etwas, was heute die vier Länder miteinander verbindet?
Vor allem die Geographie. Wir befinden uns hier in Mitteleuropa, und es ist immer besser, miteinander zu sprechen, als zuzulassen, miteinander in Streit zu geraten. In der Geschichte haben wir schon des Öfteren dafür einen hohen Preis gezahlt. Der zweite Grund ist eine ganze Palette von Angelegenheiten, bei denen wir gemeinsame Interessen haben. Westeuropa hat seine unbeschränkt offene Immigrationspolitik merklich geändert, und ein großes Verdienst fällt dabei der entschlossenen Haltung aller Visegrád-Staaten zu. Anders gesagt, wir wissen, wie wir Felder gemeinsamen Handelns identifizieren.
Lass uns auf die Ukraine zurückkommen. Bei einer Umfrage von Globsec Trends lasten 51 Prozent der befragten Slowaken die Schuld für den Kriegsausbruch dem Westen oder der Ukraine an. Zwei Drittel der Befragten aus der Slowakei meinen, die Waffenlieferungen an die Ukraine würden Russland provozieren und ihr Land einem Krieg näherbringen. Die Tschechen äußerten sich dazu umgekehrt, fast wie die Litauer. Aber könnte sich das nicht ändern?
Wir hatten immer schon einen sehr verschiedenen Blick auf Russland. Das ist nicht zuletzt eine Folge unterschiedlicher Erfahrungen mit der Invasion von 1968, die in Tschechien die Gesellschaft und intellektuelle Elite wohl sehr viel härter traf als in der Slowakei.
Nach Kriegsausbruch verhielt sich Tschechien so wie Polen und Litauen und begann, Waffen an die Ukraine zu liefern, als andere zögerten. Geschah das aus eigener Initiative, oder kam dazu ein Anstoß von der NATO oder aus den USA?
Es gab bestimmt keinen Anstoß von der NATO oder aus den USA, weil die Amerikaner in diesen ersten Tagen selbst zögerten. Und Präsident Biden schien sogar mit einigen seiner ungeschickten Äußerungen Russland grünes Licht für den Angriff zu geben.
Was steckt also dahinter, dass die Tschechen in diesem Ausmaß der Ukraine helfen?
Die tschechische Haltung ist dreifach motiviert. Erstens gibt es die erwähnte Erinnerung an die russische Okkupation von 1968 und die anschließende Verwüstung unseres Landes.
Zweitens sind die Tschechen mit Einfluss auf die öffentliche Meinungsbildung zum Teil von der Entschlossenheit der Ukrainer unter Führung von Präsident Wolodymyr Selenskyj bezaubert, ihre Freiheit und Souveränität von der ersten Minute dieses aggressiven Angriffskriegs an zu verteidigen. Für mich war das außerordentlich bewundernswert und verdiente unsere Unterstützung. Die Tschechen haben zweimal in ihrer jüngsten Geschichte die Chance verpasst, sich zu verteidigen, nämlich 1938 und 1968. Weil wir uns zweimal nicht zu helfen wussten, so helfen wir diesmal wenigsten in dem Sinne, dass wir uns so entschlossen wie wir können hinter die Ukraine stellen, mit all unserer Kraft.
Drittens, Leute, die anfangs sehr entschieden auftraten, wie [der tschechische Ministerpräsident] Petr Fiala, der mit den Ministerpräsidenten [von Polen Mateusz] Morawiecki und [der Slowakei Janez] Janša nach Kiew reiste. Sie waren die ersten Spitzenpolitiker, die das taten, als es noch riskant war und Mut erforderte. Das war so überzeugend, dass es Einfluss auf die öffentliche Meinung hatte.
Auch dem zwischenzeitlichen Ministerpräsidenten der Slowakei [Eduard] Heger wurde der Vorschlag gemacht, nach Kiew zu reisen, der sich nun wirklich nicht mit Fico in einen Korb werfen lässt. Er zögerte jedoch und fand letztlich nicht den Mut dazu. Ich denke, er hat das später bereut. Möglicherweise schlugen diese Emotionen in der Slowakei eben nicht so hoch wie bei uns.
Welchen Kriegsverlauf hältst du für den wahrscheinlichsten? Welche Chancen gibt es, den Krieg zu beenden?
Ich weiß es nicht, die Zukunft wird es zeigen. Ich bin kein Hellseher. Meiner Meinung nach weiß heute niemand, was passieren wird. Es ist sehr gut, dass wir hinter der Ukraine stehen und ihr helfen. Die Ukraine macht schwere Zeiten durch, weil ihr Feind groß und stark ist. Russland ist nicht Obervolta mit Nuklearwaffen, wie es früher einmal hieß. Die Ukraine befindet sich in einer schweren Lage, und wir, die Politiker, sollten sagen, dass wir sie solange unterstützen werden, wie es nötig ist. Es gibt keine andere Antwort.
Als Analytiker kann ich hinzufügen, dass sich die Ukraine bestimmte erreichbare, realistische Ziele setzen muss. Aber es steht uns nicht zu – das sage ich wiederum als Politiker –, ihr zu raten, wie diese Ziele aussehen sollen.
Die Tschechen haben eine Rekordzahl ukrainischer Flüchtlinge aufgenommen. Gäbe es noch Platz für weitere, sollte eine neue Flüchtlingswelle kommen?
Im Herzen schon. Bleibt die Frage, ob wir solche Möglichkeiten haben. Wenn es dazu käme, müssten wir damit fertig werden. Wenn ich von den Erfahrungen der Länder her schließen sollte, die eine große Anzahl von Immigranten aufnehmen konnten, wie etwa Israel, dann denke ich, dass es immer noch ein gewisses Aufnahmepotential gibt. Aber das hängt nie allein von den Möglichkeiten ab, sondern auch von der Stimmung in der Gesellschaft, von der Fähigkeit, sich der Lage mit offenem Sinn zu stellen, mit Mitgefühl und einer gewissen Empathie.
Bisher haben die Tschechen das geschafft, aber die Gesellschaft kann natürlich auch an den Rand der Erschöpfung geraten. Das ist auch eine Frage der Ressourcen. Mehr für den einen bedeutet vielleicht weniger für den anderen. Anders gesagt, hier ist viel zu erklären.
Bist du für die Aufnahme der Ukraine in NATO und EU?
Ich bin für die Aufnahme der Ukraine in die NATO. Das wird aber erst dann realistisch sein, wenn der Krieg vorbei ist. Jetzt sollten wir der Ukraine helfen, wie immer möglich. Auch militärisch, durch Waffenlieferungen.
Die Aufnahme in die NATO wird aber erst dann möglich sein, wenn alle damit einverstanden sind. Wie ein Land Mitglied wird, regelt Artikel 5 des Bündnisvertrags. Würden wir die Ukraine jetzt aufnehmen, müssten sich die Parlamente der Mitgliedsländer die Frage stellen, ob ihre Soldaten bereit sind, für die Ukraine zu kämpfen. Ich meine, mindestens einige Mitglieder, keinesfalls nur Ungarn, wären zu einer solchen Debatte nicht bereit.
Was die Mitgliedschaft in der Europäischen Union angeht, denke ich, dass das Aufnahmeverfahren nicht einfach werden wird und sehr schwierige Verhandlungen auf uns warten. Aber ich bin dafür.
Und wie wird es nach dem Krieg mit Russland ausschauen? Wird der Westen zu business as usual zurückkehren?
Business as usual kommt nicht in Frage. Andererseits ist Russland nun einmal, wo es ist, und dort wird es bleiben. Niemand wird es jemals anderswohin verschieben.
Vielleicht fällt es auseinander?
Ich denke nicht, dass es realistisch wäre, darauf zu setzen, wovon vielleicht etliche in Polen träumen, nämlich dass Russland in lauter einzelne Kleinstaaten zerfällt. Das könnte vielleicht mehr Probleme bringen als lösen, und noch etliche weitere dazu.
Russland wird ein wichtiges und einflussreiches Land bleiben. Und wir werden mit ihm ins Gespräch kommen müssen. Aber unsere Erfahrung läuft darauf hinaus, dass Russland es schafft, seine imperialen Interessen rücksichtslos zu vertreten.
Tschechien und Polen. Ich glaube nicht mehr daran, dass die polnisch-tschechischen Beziehungen so hervorragend sind, wie ich ständig höre. Es steht nicht schlecht, aber es gab [die Auseinandersetzung um das Braunkohlekraftwerk] Turów, es gab das Streusalz im polnischen Räucherschinken und das Methanol im tschechischen Rum. Es gibt keine Bahnverbindung zwischen Prag und Wrocław. Wenn die Preise in Polen nicht so niedrig wären, würden die Tschechen nicht sehr viel über ihre Nachbarn wissen. Aber wie siehst du das?
Ich bin da viel optimistischer. Ich glaube, die tschechisch-polnischen Beziehungen sind tatsächlich besser als irgendwann in der jüngsten Geschichte. Und es stimmt nicht, dass die Tschechen nur nach Polen fahren, um einzukaufen. In diesem Jahr war die Ostsee eines der beliebtesten Ziele tschechischer Touristen, und das bestimmt nicht wegen billiger Einkäufe.
Turów ist ein Beispiel für eine Auseinandersetzung um ein objektives Problem, das gelöst werden konnte. Das Abkommen bringt den Menschen auf unserer Seite der Grenze viel Gutes. Es werden neue Wasserleitungen gebaut. Deshalb würde ich in diesem Zusammenhang nicht von Turów sprechen. Das ist wirklich ein Beispiel dafür, wie die Polen heute schwierige Konflikte schlichten können.
Was wirklich wichtig ist, nämlich die Maßnahmen zugunsten der Ukraine, wäre ohne Polen gar nicht möglich. Polen gebühren dafür große Worte der Anerkennung und des Dankes.
Aber wie sieht es im Europäischen Parlament aus? Mit wem sprichst du dort? Mit Abgeordneten aus deiner Fraktion, also mit PiS-Leuten, oder auch mit anderen?
Natürlich arbeite ich viel mehr mit PiS zusammen, weil das die größte nationale Gruppe in unserer Fraktion der Europäischen Konservativen und Reformer ist. Wir haben bei vielen Angelegenheiten ähnliche und manchmal sogar identische Ansichten. Aber es gibt auch solche, bei denen sich unsere Meinungen scheiden. In Wirtschaftsfragen sind wir wohl liberaler.
Mir ist Polen wichtig, deshalb spreche ich auch mit Polen von der anderen Seite, von der Bürgerplattform. Zum Beispiel mit [dem früheren Außenminister] Radek Sikorski, mit dem ich gemeinsam in einer USA-Delegation bin.
Eins gilt für uns unveränderlich: Polen ist ein wichtiger Nachbar. Wir müssen mit allen Parteien in Polen zusammenarbeiten, die gute Beziehungen zu Tschechien wollen.
Die meisten Tschechen sind gegen den Übergang von der Krone zum Euro, aber viele tschechische Unternehmen haben das bereits getan, soweit es die Bestimmungen zulassen. Drei von vier Koalitionsparteien sprechen sich für den Währungswechsel aus, Deine ODS [Občanská demokratická strana – Demokratische Bürgerpartei] ist aber in der Frage gespalten. Wie ist deine Meinung dazu?
Dass wir uns mit dem Währungswechsel nicht übereilen sollten. Ich würde noch warten, bis die Eurozone die zweite Krise erfolgreich bestanden hat, die ähnlich schwer ist wie die vor einem Jahrzehnt. Dann werden wir sinnvoll darüber diskutieren können. Aber vorerst halte ich das für verfrüht.
Ja, im Verlaufe des letzten Jahres machten die Exporteure Druck, den Euro zu übernehmen, weil die Krone stärker geworden war. Aber jetzt hat das aufgehört, und in den letzten Wochen ist die Krone etwas schwächer geworden. Ich glaube nicht, dass das immer noch ein so heißes Thema ist. Wo doch Schweden und Dänemark auch ohne den Euro ziemlich erfolgreich sind, sehe ich keinen Grund, wieso sich Tschechien damit beeilen sollte.
Und das Beispiel der Slowakei?
Ich weiß nicht, woher die Behauptung kommt, der Slowakei gehe es besser als uns. Die Inflation verläuft unabhängig vom Euro, sie ist einfach umso höher, je weiter man nach Osten kommt. Wir haben das billige russische Gas verloren, daher war sie bei uns höher. Ich sehe also keinen Vorteil darin, dass die Slowakei den Euro hat und wir nicht. Vielleicht mit der kleinen Einschränkung, dass jemand von dort kein Geld wechseln muss, wenn er in die Eurozone fährt.
Aber er hat auch keine Angst, seine Reise könnte teurer werden.
Aber der Euro hat damit gar nichts zu tun. Ich bezweifle nicht, dass, sind erst einmal die direkten Folgen der Energiekrise vorbei, die Tschechische Nationalbank weiter entschlossen handeln und die Krone eine stabile Währung bleiben wird, an die die Tschechen glauben. Wir haben immer an sie geglaubt. Selbst unter der Herrschaft der Bolschewiki, mit Ausnahme der verrückten Währungsreform von 1953, fiel die Tschechoslowakei nicht in eine Inflationsspirale wie Polen unter [Edward] Gierek oder Ungarn unter [János] Kádár.
Deshalb sehe ich keinen Grund, den Euro als geopolitischen Rettungsring aufzufassen, der uns über Wasser halten soll. Ich verstehe sehr gut, dass die baltischen Staaten den Euro so sehen. Aber ich kann darin keinen Sicherheitsfaktor für uns erkennen.
Im nächsten Jahr finden die europäischen Wahlen statt. Wie sehr wird sich die EU im Anschluss daran ändern? In welche Richtung wird sie gehen?
Ich glaube ganz fest daran, dass das Europäische Parlament sich besser zusammensetzen wird als jetzt, da es grüner und linker ist, als ich zurückdenken kann. Zweitens haben wir wohl die schlechteste Europäische Kommission der Geschichte. Die Kommission war immer eine Verbündete der kleineren und mittleren Länder, ein Garant gerechter Spielregeln, der über ihre Einhaltung wachte. Die heutige Kommission dagegen spielt sich als eine Art imperiale Regierung auf, die anderen ihren Willen aufzwingen will. Das muss wirklich aufhören.
Ich rechne damit, dass die Rechtsparteien auf Kosten der grünen Linksparteien stärker werden, dass auch unsere Fraktion stärker wird, dass wir den dritten Platz erreichen können. Ich erwarte also, dass das nächste Europäische Parlament realistischer sein wird.
Im nächsten Jahr gibt es auch Präsidentschaftswahlen in den USA, und es sieht so aus, als ob es wieder zu einem Duell zwischen Biden und Trump kommt. Was würde es für die Ukraine, Europa und Tschechien bedeuten, sollte Trump gewinnen?
Ich weiß es nicht. Ich verhehle nicht, bestimmte Befürchtungen zu haben. Ich habe ein bisschen Angst, dass er mehr als auf alles andere auf Rache ausgehen wird. Rache an seinen innenpolitischen Gegnern. Wenn aber das in der Politik den Ton angibt, kann das auch Folgen anderswo haben.
Du warst mit Václav Havel befreundet, warst sein Berater, als er Präsident der Tschechoslowakei war. Du warst aber auch in den Regierungen von Václav Klaus. Wie ist es dir gelungen, Feuer und Wasser miteinander zu versöhnen, Havel und Klaus?
In dieser wichtigen Zeit von 1990 bis 1997, als wir die Mitgliedschaft im Nordatlantischen Bündnis und der Europäischen Union anstrebten, als wir über zentrale demokratische und ökonomische Reformen debattierten, wurden solide Fundamente gelegt. Dass wir sowohl Havel als auch Klaus hatten, erwies sich daher als Segen für unser Land. Sie mochten sich nicht, rivalisierten miteinander und waren verschiedener Meinung. Aber sie hatten ins sich doch so viel staatstragender Klugheit, dass sie im Interesse des Landes zu kooperieren vermochten. Das war etwas, was zum Beispiel die Ukraine nach der Orangen Revolution nicht fertiggebracht hat, als [Wiktor] Juschtschenko und [Julija] Tymoschenko in einen brudermörderischen Krieg zogen und diese Revolution unter Ruinen begruben.
Ich nehme mal an, dass dir aber Václav Havel näherstand.
Als Mensch selbstverständlich. Aber hier geht es nicht darum, sich im Café oder in der Kneipe ins Herz zu schließen. In der demokratischen Politik sucht man sich seine Freunde nicht aus. Die Leute stimmen ab, und wir müssen mit denen zusammenarbeiten, die sie gewählt haben. Das heißt nicht, wir sollten vergeben, wenn sie einen Diktator wählen. Aber trotz aller Kritik an Václav Klaus lässt sich doch nicht sagen, er sei ein Diktator gewesen. Er war ein Freidenker, er ließ den Leuten Raum. Er trat klar für die Sache der Freiheit ein, nicht für die Diktatur.
Das Gespräch erschien zuerst in englischer Übersetzung in dem Internetportal Aspen Review, URL: https://www.aspen.review/article/2023/russia-no-upper-volta-nuclear-weapons/
Geograph, Politiker und Diplomat, geboren 1961, vor 1989 Dissident, Unterzeichner und einer der Sprecher der Bürgerrechtsgruppe Charta 77, Mitglied der Polnisch-Tschechoslowakischen Solidarität. Er gehört zu den langjährigen Mitgestaltern der tschechoslowakischen, dann tschechischen Außen‑ und Sicherheitspolitik.
Er war außenpolitischer Berater von Präsident Václav Havel (1990–1992), stellvertretender tschechischer Außenminister (1992–1997), Botschafter in Washington (1997–2001), Regierungsbevollmächtigter für den NATO-Gipfel in Prag (2001/02), Außenminister (2006/07), Europaminister (2007–2009) und Verteidigungsminister (2010–2012) sowie Senator (2006–2012). Seit 2019 ist er Europa-Abgeordneter der konservativen Demokratischen Bürgerpartei (ODS), deren stellvertretender Vorsitzender er seit Januar 2020 ist.
Aureliusz M. Pędziwol, Journalist, arbeitet mit der polnischen Redaktion der Deutschen Welle zusammen. Er war 20 Jahre lang Korrespondent des Wiener WirtschaftsBlattes und für zahlreiche andere Medien tätig, darunter für die polnischen Redaktionen des BBC und RFI.
Aus dem Polnischen von Andreas R. Hofmann