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Belarus – Nichts wird mehr sein wie es war

Als mich die Redaktion von DIALOG FORUM bat, einen Text über die aktuellen Ereignisse in Belarus zu schreiben, habe ich sofort zugesagt. Als ehemaliger Chargé d‘affaires in Belarus und Beobachter dessen, was in Minsk geschieht, hatte ich das Gefühl, den bestellten Text problemlos schreiben zu können. Inzwischen aber gebe ich ihn mit Verspätung ab, und zwar aus zweierlei Gründen. Erstens erforderten die sehr heftigen Straßenproteste in Polen meine journalistische Aufmerksamkeit. Zweitens – und wer weiß, ob das nicht am Ende die größere Herausforderung war – habe ich, als ich mir die Ereignisse in Belarus aus der Nähe ansah, in einem bestimmten Moment aufgehört, sie zu verstehen. Ich habe aufgehört, das Ganze zu sehen. So wie man in Gemäldegalerien manchmal ein paar Meter zurücktreten muss, damit man das ganze Werk sehen kann, so versuche ich auch in diesem Text, mich nicht auf Details zu konzentrieren, sondern die Ereignisse aus einem gewissen Abstand heraus zu betrachten.

Über Revolutionen, die bereits gelungen sind …

Es gibt keinen Zweifel daran, dass es in Belarus bereits zu einer Art Revolution gekommen ist. Von den Belarussen wurde jahrelang gesagt, sie seien das geduldigste, ruhigste und politisch passivste Volk im postsowjetischen Raum. Mit dem nationalen Charakter wurde, zuweilen leider mit unverhohlener Verachtung, die Leichtigkeit erklärt, mit der Aljaksandr Lukaschenka das verkümmerte, aber durchaus real existierende demokratische System in Belarus demontierte, und wie er es schaffte, ein Vierteljahrhundert zu regieren und dabei nur selten auf größeren Widerstand zu stoßen.

Die belarussische Diktatur war während der längsten Regierungszeit Lukaschenkas hindurch gerade deshalb eher ein weicher als ein harter Autoritarismus, weil es nicht wirklich notwendig war, Methoden anzuwenden, wie sie aus brutaleren Systemen bekannt sind. Nach den letzten Wahlen hat sich alles geändert. Dieses Mal haben sich die Belarussen widersetzt. Seit drei Monaten gehen die Menschen inzwischen nicht mehr nur in Minsk, sondern auch in anderen belarussischen Städten auf die Straße, um gegen das Regime Lukaschenkas zu protestieren. Dass dies trotz der beispiellosen Brutalität der Ordnungskräfte geschieht, beweist allein schon, dass die Revolution nicht im Sinne eines Regierungssturzes, sondern in dem Sinne, dass das Volk als politisches Subjekt aufwacht, bereits vollzogen ist. Natürlich ist es möglich, dass der bevorstehende Kälteeinbruch und die erwähnte Brutalität dazu führen werden, dass die Demonstrationen langsam zurückgehen, aber Belarus wird mit Sicherheit nie mehr der gleiche Staat sein, der er bisher war.

Wenn wir schon von der Passivität der Belarussen sprechen, die allerdings heute Vergangenheit ist, ist es sinnvoll, sich ihre Gründe bewusst zu machen. Wenige Menschen sind sich darüber im Klaren, dass Belarus in Wirklichkeit der Staat ist, der durch den Zweiten Weltkrieg am stärksten geschädigt wurde. Während des Krieges kamen über 25 Prozent der Bewohner des heutigen Belarus um. Ich bin tief davon überzeugt, dass in diesem so gut wie gar nicht aufgearbeiteten Trauma die Ursache dafür liegt, warum für viele Belarussen im letzten Vierteljahrhundert Stabilität und Frieden das höchste Gut waren. Bezieht man außerdem das – im Vergleich zum Beispiel mit der Ukraine – verhältnismäßig geringe Nationalbewusstsein ein, zeigt sich unweigerlich, dass die Ereignisse der letzten Monate in Belarus mehr sind als nur Proteste gegen Aljaksndr Lukaschenka. Sie sind eine Revolution.

Wenn es also so ist, dann muss man annehmen, dass die jahrelang skizzierten Szenarien über das Ende von Lukaschenka, die seine Ersetzung durch einen ebenso autoritären Führer vorausgesehen haben, im Prinzip nicht mehr aktuell sind. Die Belarussen lassen sich nicht dazu zwingen, ein von oben aufgesetztes Oberhaupt zu akzeptieren – ob von der belarussischen Nomenklatur oder von Moskau aufgedrückt. Dies wird aus zwei Gründen nicht möglich sein. Erstens weil wir es mit einer anderen Gesellschaft zu tun haben als noch vor einem halben Jahr. Zweitens jedoch, weil Aljaksandr Lukaschenka sehr gewissenhaft dafür gesorgt hat, dass in Belarus kein Politiker auftaucht, der der zweite Mann im Regime sein könnte. Man kann natürlich schauen, wer heute der Anführer der Opposition ist und eventuell dort nach einem Oberhaupt suchen, aber auch hier gibt es nicht wirklich jemanden, der eine gefestigte Position hätte. Wann auch immer Lukaschenkas Regierung zu Ende geht und wer auch immer ihm nachfolgt – es wird mit Sicherheit nie mehr die gleiche Form der Macht sein, über die der Präsident von Belarus jahrelang verfügt hat. Das ist die zweite belarussische Revolution.

… und über die, die gescheitert ist.

Während es verhältnismäßig einfach ist, darüber zu schreiben, wie das zukünftige Belarus eher nicht sein wird, ist es wesentlich schwieriger vorauszusehen, wie es zukünftig aussehen könnte. Für den Versuch einer Prognose muss man sich die Frage beantworten, warum die Revolution im traditionelleren Sinne dieses Wortes, sprich eines raschen Regierungswechsels, nicht gelungen ist. Dafür gibt es mehrere Gründe.

Erstens hat Aljaksandr Lukaschenka entgegen dem, was viele Regimegegner denken, ein Verwaltungs- und Beamtensystem geschaffen, das außergewöhnlich gut funktioniert – jedenfalls wesentlich besser als das in der Ukraine oder in Russland. Die Nutznießer der Lukaschenka-Regierung waren, wie Wladimir Pastuchow vom University College of London in einem aufsehenerregenden Artikel in der russischen Tageszeitung Nowaja Gaseta feststellt, nicht lediglich Leute, die Lukaschenka nahestehen, sondern eine breite gesellschaftliche Schicht. Pastuchows Bemerkungen zum soziologischen Charakter möchte ich meinerseits durch die Feststellung ergänzen, dass einer der Faktoren für die Stabilität des belarussischen Regimes war, dass Lukaschenka für eine verhältnismäßig gerechte Verteilung von Geldern gesorgt hat, nicht nur unter seinen Prätorianern, sondern auch unter normalen Beamten und Offizieren, auch unter denen mit niedrigeren Dienstgraden. Im Gegensatz zu Russland und der Ukraine lebten in Belarus im Vergleich zum Rest der Gesellschaft nicht nur die engsten Leute um den Präsidenten verhältnismäßig gut, sondern auch Milizionäre und kleinere Beamte– es wundert daher nicht, dass diese Menschen dem Regime gegenüber loyal geblieben sind.

Proteste in Minsk am 20. September 2020. Quelle: Wikipedia

Auch die Korruption war gering und daraus folgt, dass keine alternativen Kanäle für den Geldverkehr entstanden sind. Ein geringes Korruptionslevel ist die Voraussetzung dafür, dass Belarus sich wie kaum ein Land im postsowjetischen Raum dazu eignet, eventuell der EU beizutreten – es ist ein gewisses Paradoxon, dass Belarus durch Lukaschenka vom Westen entfernt ist, und dass gleichzeitig alles, was Belarus tut, es zu einem idealen Partner macht, was wiederum hauptsächlich Lukaschenkas Werk ist.

Die belarussischen Oligarchen hatten nie auch nur ein Fünkchen des Einflusses ihrer Pendants in Kiew und Moskau. Da wir schon bei dem Thema sind, möchte ich darauf hinweisen, dass – entgegen der Überzeugung von vielen, denen Belarus als ein im wirtschaftlichen Sinne kaum reformierter kommunistischer Staat vorkommt – diese Oligarchen-Gruppe durchaus existiert. Der Staat bleibt natürlich ein dominierender Akteur in der belarussischen Wirtschaft, aber etwa die Hälfte des Bruttosozialproduktes wird bereits im privaten Business erwirtschaftet. Dieser Sektor ist – ähnlich wie die Beamten – nicht an einem raschen Untergang des Regimes interessiert.

An einem unkontrollierten und plötzlichen Untergang des Regimes sind auch äußere Akteure nicht interessiert: weder der Westen noch Russland, für das ein rascher Fall von Lukaschenka insofern gefährlich wäre, als er ein ansteckendes Beispiel für die russische Opposition geben könnte.

Das Szenario einer Palastrevolution wäre hingegen nicht möglich, weil Aljaksandr Lukaschenka, wie bereits erwähnt, erfolgreich dafür gesorgt hat, dass niemals jemand den Status eines Thronfolgers erreichen kann.

Alles Genannte führt zu der Schlussfolgerung, dass außer denen, die auf die Straße gegangen sind (und die verdienen zweifelsohne Respekt für ihren Mut), in Wirklichkeit niemand an einem Erfolg der Revolution interessiert ist. Wenn man versucht, die Zukunft vorauszusehen, muss man oben Beschriebenes in Betracht ziehen.

Revolution vom Diktator selbst verschuldet

Paradoxerweise hat zum Ausbruch der Proteste Lukaschenka selbst am meisten beigetragen und dabei geht es gar nicht darum, dass die Corona-Pandemie ignoriert wurde und um – wenn man das so sagen darf – „übermäßige“ Fälschungen der Wahlergebnisse, sondern darum, dass Lukaschenka, der zweifelsohne über viele politische Talente verfügt, nie die eine Fähigkeit besaß, die auf Englisch mit to reinvent yourself ausgedrückt wird. Denn Lukaschenka ist genau der gleiche Mensch, der er war, als er vor 26 Jahren die Macht übernommen hat.

In diesem Vierteljahrhundert ist in Belarus inzwischen eine neue Generation herangewachsen, für die Aljaksandr Lukaschenka nicht nur ein Mensch der Vergangenheit ist, sondern – und das ist wesentlich gefährlicher für ihn – einer Vergangenheit, an die sich viele Belarussen aufgrund ihres Alters nicht erinnern können.

Allein die Sprache, derer sich Aljaksandr Lukaschenka bedient, zeigt, dass er bis heute in der sowjetischen Vergangenheit steckt. An diese Vergangenheit erinnern sich die heutigen 40-Jährigen kaum, und für die derzeit 20- und 30-Jährigen ist sie nur noch die Erinnerung ihrer Eltern. Kurz vor den Präsidentschaftswahlen hat Lukaschenka dem ukrainischen Journalisten Dmitry Gordon ein Interview gegeben, in dem er unter anderem zugibt, dass er kein Internet benutzt. In einem gewissen Sinne waren diese Worte symptomatisch für das gesamte Gespräch, denn sie haben einen Menschen gezeigt, der mit der Gegenwart einfach nicht schritthalten kann.

Bleibt nur noch Gewalt?

Die Reaktion des Regimes auf den Ausbruch der Proteste war äußerst brutal. Es ist nicht ausgeschlossen, dass diese Brutalität Lukaschenka vor dem Machtverlust gerettet hat, aber gleichzeitig hat sie seinen Mythos zerstört, der von dem maßvollen Gewalteinsatz bei den vorangegangenen Wahlen nicht erschüttert werden konnte. Mit so einer Dosis an Brutalität wie im Jahr 2020 musste Belarus noch nie umgehen. Indem Lukaschenka so brutale und nackte Gewalt anwendet, hat er seine Chance auf die Wiedergewinnung von Popularität verspielt, derer er sich in der Vergangenheit erfreuen durfte. Die Folge ist, dass er nicht mehr in der Lage ist, die Proteste einzudämmen. Andererseits ist die Opposition nicht stark genug, um ihn zu stürzen. Regierung und Protestierende sind in eine Art Sackgasse geraten. Die Revolution ist an einem Scheideweg angekommen.

Militärdiktatur?

Die Regierung hat theoretisch die Situation unter Kontrolle, aber gleichzeitig ist ihre unterschwellige Nervosität zu spüren. Die zeigt sich darin, dass – bis auf ganz wenige Ausnahmen – keine Mitarbeiter dem Regime den Rücken zugekehrt haben, dass sich aber das Regime deutlich in Richtung Militärdiktatur bewegt, obwohl in Belarus mehr Menschen in der Regierung sind, die von den Nachrichtendiensten kommen als von den Streitkräften. Die Tatsache, dass zentrale Posten im Staat nicht mehr von Technokraten besetzt sind (was jahrelang die Stärke des Regimes war), sondern von Offizieren, verlängert bestimmt das Leben des Regimes, andererseits ist eine Militärdiktatur aber global betrachtet selten in der Lage, einen Staat effizient zu regieren. Aus diesem Grund sind die meisten Beobachter der Meinung, die Militarisierung des Regimes verhindere jeglichen Veränderungsprozess.

Diese, beispielsweise in Polen dominierende Meinung, lässt jedoch außen vor, dass – wie sich beispielsweise anhand der Geschichte Polens zeigt – nicht etwa Architekt des Wandels (wie es die polnische Rechte gern hätte), sondern Partner in den Gesprächen mit der Opposition niemand anders war als der Chef des Nachrichtendienstes im kommunistischen Polen. In einer Diktatur haben nur die Sicherheitsdienste das Recht, mit denen zu verhandeln, die sie bekämpfen sollen. Steigt man tiefer in die Geschichte ein, erinnert man sich wieder, dass der erste Reformator der Sowjetunion nach Stalins Tod Lawrenti Beria war, der Chef des NKWD, dessen Hände bis zu den Ellenbogen mit Blut beschmiert waren, zweifelsohne ein Verbrecher. Vielleicht schließt deshalb die Tatsache, dass die Regierung in Belarus immer stärker vom Geheimdienst übernommen wird, mögliche Gespräche gar nicht aus?

Ausweg aus der Situation?

Viele Beobachter gehen davon aus, dass Lukaschenka die Macht verliert, wenn Moskau eine solche Entscheidung fällt. Der bereits erwähnte Wladimir Pastuchow hat sogar geschrieben, Lukaschenka werde von der Konterrevolution gestürzt, und nicht von der Revolution. Sponsor einer Konterrevolution kann natürlich nur Russland sein. Einer der belarussischen unabhängigen Spitzenanalysten, Artyom Shreibman, beschreibt eine Methode, die Russland sehr gezielt einsetzen wird, und weist darauf hin, dass es sich dabei um eine „Start-up-Technologie“ handeln wird. Mit anderen Worten wird Russland sicherlich auf einige, wenn nicht sogar auf einige Dutzend alternative Szenarien außer der weiteren Schwächung von Lukaschenka setzen. Dadurch wird es ihn zu weiteren Zugeständnissen zwingen, bis hin zu einem Wechsel des belarussischen Oberhauptes zu jemand anderem (insofern es natürlich gelingt, einen solchen Politiker hervorzubringen).

Was Shreibman in seiner Analyse benennt, erspürt Lukaschenka instinktiv sicherlich schon lange. Sollte es so sein, wird er logischerweise versuchen, sein eigenes Szenario umzusetzen. Aljaksandr Lukaschenka ist, unabhängig davon, dass er in einem gewissen Moment objektiv seinen politischen Instinkt verloren hat – im Gegensatz zu dem, was oft über ihn gesagt wird – ein hochintelligenter Mensch. Ich bin davon überzeugt er weiß, dass er einen Ausweg aus der Situation finden muss, in der er sich befindet.

Das setzt etwas voraus, was von vielen polnischen Analysten abgelehnt wird. Diese Menschen sind der Meinung, dass Lukaschenka ein Mann Moskaus und in Wirklichkeit ein Verräter ist, den die Unabhängigkeit von Belarus überhaupt nicht interessiert. Ich will dieser Expertengruppe heftig widersprechen, und zwar aus zwei Gründen. Erstens weil ihre Prognosen seit Jahren nicht eintreten. Zweitens aber, weil ich instinktiv nicht denjenigen vertraue, die die Diskussion verweigern, und leider ignorieren einander die beiden Denkschulen über Belarus in Polen seit Jahren .

Die Interessen des Westens

Aus Sicht des Westens ist es von zentraler Bedeutung, dass Belarus ein möglichst unabhängiger und möglichst souveräner Staat bleibt. Die eng mit der russischen Armee verbundene belarussische Armee an der Grenze der NATO ist das eine. Etwas komplett anderes ist die russische 1. Gardepanzerarmee nicht etwa bei Smolensk, sondern 230 Kilometer von Warschau entfernt. Die Anhänger der Schule, laut derer Lukaschenka in Wirklichkeit ein Mann Moskaus ist, sind der Meinung, er müsse gestürzt werden und man solle sich nicht dafür einsetzen, dass er mehr Spielraum bekommt. Dabei wird jedoch außer Acht gelassen, dass – solange der Sturz von Lukaschenka nur mittelmäßig gelingt und weil Lukaschenka sich niemals mit dem Westen einlassen wird – ein Lukaschenka, der zumindest ein minimales Manövrierfeld hat, besser ist als einer , der vollkommen von Moskau abhängig ist. Analog ist ein Lukaschenka, der die Macht infolge einer Verständigung des Westens mit Russland abgibt, besser als ein Lukaschenka, der dies ausschließlich zu den Bedingungen des Kremls macht.

Der Gedanke an einen Dialog zwischen Regierung und Opposition erscheint abstrakt, nachdem die Regierung brutale Gewalt angewendet hat. Nur dass die brutale Niederschlagung von Protesten nichts anderes ist als ein Schwächebeweis. Diktaturen setzten sich zu Gesprächen mit der Opposition nicht dann hin, wenn sie stark, sondern wenn sie eben schwach sind. Paradoxerweise muss man das heute stärker bedenken als in der Vergangenheit.

Den beispiellosen und einmaligen Besuch Lukaschenkas im KGB-Gefängnis und sein Treffen mit den Oppositionsführern dort kann man wohl kaum als Dialog bezeichnen. Gleichzeitig aber sollte man sich bewusst machen, dass Lukaschenka, als es 2010 zur Niederschlagung von Demonstrationen der Opposition gekommen war und die Hauptkandidaten für das Amt des Präsidenten im Gefängnis landeten, mit niemandem gesprochen hatte (denn er musste nicht). Wenn er heute einen Besuch im Gefängnis abstattet, dann beweist das nur seine Suche nach einem Ausweg aus der Situation. Der Westen sollte ihm bei dieser Suche helfen.

In Polen ruft eine solche These bei vielen moralische Empörung hervor. Doch wie der sich seit Jahren mit Belarus befassende Grigory Ioffe von der Jamestown Foundation richtig bemerkt, kann die moralische Empörung nicht die Analyse ersetzen. Als die Vereinigten Staaten einige Jahre nach der Einführung des Kriegsrechtes mit Wojciech Jaruzelski sprachen, empfanden sie sicherlich auch keine Sympathie für ihn und hatten keine große Hoffnung auf einen Umbruch. Ein paar Jahre später sorgten die Vereinigten Staaten dafür, dass die polnische demokratische Opposition Jaruzelski zum Präsidenten wählte.

Der belarussische Präsident ist ein tief autoritärer Mensch und – was aus der Sicht eines jeden, der an einen Dialog der Regierung mit der Opposition denkt, schlimmer ist – im hohen Maße auch jemand, der von seiner historischen Mission überzeugt ist. Ohne ein typischer blutiger Diktator und Kleptokrat zu sein, wird Lukaschenka – sollte es zu irgendeinem Kompromiss kommen – ein sehr schwieriger Gesprächspartner sein. Deshalb wäre es gut, wenn der Westen beizeiten ein paar Start-ups vorbereiten würde.

 

 

Aus dem Polnischen von Antje Ritter-Miller

Witold Jurasz

Witold Jurasz

Journalist bei der Onlineplattform Onet.pl und der Tageszeitung Dziennik Gazeta Prawna, Vorsitzender des Zentrums für Strategische Analysen, ehemaliger Mitarbeiter der Investitionsabteilung der NATO, Diplomat in Moskau und Chargé d’affaires der Republik Polen in Belarus.

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