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Die Parlamentswahlen in der Slowakei: Zurück in die Vergangenheit

Robert Fico hat zum fünften Mal die Wahlen in der Slowakei gewonnen und wird zum vierten Mal Ministerpräsident. Wohin wird er das Land führen?

Als er vor fünf Jahren als Ministerpräsident zurücktrat, sah es ganz danach aus, als sei damit seine politische Karriere endgültig vorbei. Ein Jahr lang regierte sein Stellvertreter, und nach den Wahlen kam die vorherige Opposition an die Regierung.

Wohl niemand hätte damals vermutet, dass nach kaum zwei Jahren ein erheblicher Teil der slowakischen Wähler sich nach dem Mann zurücksehnen würde, unter dessen Führung sich das organisierte Verbrechen die Richter und hohen Polizeibeamten gefügig gemacht hatte. Niemand wäre darauf verfallen, dass so viele Menschen einfach die Morde an dem Journalisten Ján Kuciak und seiner Verlobten Martina Kušnírová vergessen würden. Diese beiden jungen Leute wären sicher noch am Leben, wenn sich die Auftraggeber des Mordes nicht sicher gewesen wären, straflos davonzukommen, wie es ihnen die Regierung zusicherte.

Die Koalition…

Robert Fico, Vorsitzender der Partei Richtung – Slowakische Sozialdemokratie (Smer – SSD), die am 30. September 2023 die vorgezogenen Neuwahlen zum Nationalrat (das heißt Parlament) der Slowakischen Republik gewonnen hatte, reichte bei Präsidentin Zuzana Čaputová am 17. Oktober die Liste der Ministerkandidaten für sein viertes Kabinett ein. Er wird eine Koalitionsregierung gemeinsam mit zwei kleineren Parteien führen.

Die erste davon ist Stimme – Sozialdemokratie (Hlas – SD), gegründet und geführt von Peter Pellegrini, der Stellvertreter Ficos in Partei‑ und Regierungsämtern gewesen war, dann auch sein Stellvertreter als Ministerpräsident, bevor er mit zehn weiteren Parteimitgliedern Smer verließ.

Die zweite ist die Slowakische Nationalpartei (SNS), welche die kleinste Fraktion im neugewählten Parlament stellt. Von den 150 Parlamentssitzen gewann Smer 42, Hlas 27 und SNS zehn. Gemeinsam verfügt die Koalition über 79 Stimmen, also eine sichere Mehrheit gegenüber der Opposition mit ihren 71 Stimmen.

…die Opposition…

Die stärkste Oppositionskraft ist die linksliberale Partei Progressive Slowakei (das PS), aus der Präsidentin Čaputová kommt. Sie wird gegenwärtig von Michal Šimečka geführt, der als erster Europa-Abgeordneter der Slowakei einer der stellvertretenden Präsidenten des Europäischen Parlaments wurde. Die Nachwahlbefragungen sahen diese Partei als Wahlsiegerin, was sich nach Auszählung aller Stimmen jedoch nicht bewahrheitete. Die Partei gewann 32 Mandate, zehn weniger als Smer.

Gleichwohl war es nach den Wahlen keineswegs sicher, ob nicht dennoch PS das neue Kabinett bilden würde. Es war durchaus nicht so unwahrscheinlich, dass die Partei eine Koalition mit Hlas (27 Abgeordnete), der Christlich-Demokratischen Bewegung (dem KDH, zwölf Abgeordnete) und der rechtsliberalen Partei Freiheit und Solidarität (SaS, elf Abgeordnete) würde bilden können. Diese hätte mit 82 Mandaten sogar eine bequemere Mehrheit als die jetzige Koalition. Es wurden entsprechende Gespräche geführt, wobei Šimečka Pellegrini sogar die Position des Ministerpräsidenten angeboten haben soll. Doch die Hlas-Partei entschied sich für die Koalition mit der Smer-Partei, aus der sie drei Jahre zuvor ausgetreten war, Pellegrini entschied sich für Fico, der ihm das Amt des Parlamentspräsidenten versprochen hatte und darüber hinaus wahrscheinlich auch die Nominierung durch seine Partei bei den nächstjährigen Präsidentschaftswahlen.

…und OĽaNO

Ins Parlament haben es außerdem noch sechzehn Abgeordnete der Partei „Gewöhnliche Leute und unabhängige Personen“ (OĽaNO) und Freunde des vormaligen Ministerpräsidenten Igor Matovič geschafft. Diese Partei hat unterdessen bereits mehrfach den Namen gewechselt und nennt sich aktuell schlicht Slovensko (Slowakei). Bei den vorherigen Wahlen von 2020 hatte OĽaNO ein Viertel der Wählerstimmen und 53 Mandate im Nationalrat gewonnen.

Allerdings war auch in erster Linie Matovič als Ministerpräsident und dann als Finanzminister für den Kollaps der Koalition verantwortlich, die er selbst gebildet und die mit einer verfassungsändernden Mehrheit von 93 Stimmen begonnen hatte. Denn zwischen ihm und dem SaS-Vorsitzenden Richard Sulík hatte es ständige Auseinandersetzungen gegeben, zudem hatte er undurchdachte und kostspielige Ideen auf den Weg gebracht, die er nicht beizeiten fallen ließ, wie etwa allgemeine Tests auf den Coronavirus, oder verrückte Aktionen wie den geheim gehaltenen Ankauf des Sputnik-Vakzins in Russland unternommen, gekrönt von einer Medienshow mit völlig überraschten Journalisten, die er aus Bratislava in das entlegene ostslowakische Košice hatte kommen lassen.

Vor drei Jahren bildete Matovič die Regierungskoalition. Diesmal war es kaum der Rede wert, dass es OĽaNO überhaupt noch ins Parlament geschafft hatte. Doch in der Rolle des Kämpfers gegen die Korruption in höchsten Regierungsämtern, die Matovič nunmehr erneut wird spielen können, hat er sich unvergleichlich besser bewährt denn als Regierungschef. Der Wahlausgang, soviel schlechter als der vorherige, wird für diesen Politiker also gewiss nicht das Karriereende bedeuten.

Der zukünftige Ministerpräsident hat es eilig

Nach dem Wahltag äußerte Fico öffentlich den Wunsch, bereits zum nächsten Gipfel der Europäischen Union am 26. Oktober mit dem Mandat der Wähler als Ministerpräsident fahren zu können. Fico hatte es eilig. Daher hat er sehr schnell fast sämtliche Kabinettsstellen besetzt. Auf der der Präsidentin überreichten Liste fehlte jedoch ein Name für das Amt des Außenministers. So trug er einfach seinen eigenen Namen ein, weil sein bevorzugter Kandidat für das Amt, sein Stellvertreter als Parteivorsitzender Juraj Blanár, im letzten Augenblick abgesagt hatte. Außer dem Ministerpräsidenten wird Smer im künftigen Kabinett sechs Minister stellen, Hlas sieben und die SNS drei.

Blanár wollte angeblich gerne Verkehrsminister werden. Nach seiner Absage spekulierten die slowakischen Medien, er werde jetzt selbst im Parlament keinerlei Amt bekommen. Vielleicht hat er sich es deshalb noch einmal überlegt und nach zwei Tagen Ficos Nominierung doch noch angenommen.

Einspruch der Präsidentin…

Ganz gewiss fiel dem Smer-Vorsitzenden in diesem Augenblick ein Stein vom Herzen, obwohl er wusste, dass die Präsidentin seine Kandidatenliste immer noch ablehnen konnte, zumal er sich mit Zuzana Čaputová schon seit Jahren im offenen Kriegszustand befindet. Im September reichte diese gegen ihn eine Zivilklage wegen gegen sie gerichteter „hasserfüllter Äußerungen“, „Verleumdungen“ und „haltloser Vorwürfe“ bei Gericht ein. Beobachter gingen davon aus, sie werde insbesondere gegen den früheren Innenminister Robert Kaliniák Widerspruch einlegen, der im neuen Kabinett das Verteidigungsressort übernehmen soll. Doch die Staatschefin wies lediglich die Nominierung von Rudolf Huliak zurück, den die SNS für das Umweltministerium vorgesehen hatte.

„Ein Kandidat, der sich dem wissenschaftlichen Konsens zum Klimawandel verweigert und behauptet, es gebe keine Klimakrise, kann nicht das Ressort leiten und repräsentieren, dessen gesetzlich vorgeschriebene zentrale Aufgabe es ist, Umwelt, Landschaft und Klimasystem der Erde zu schützen“, schrieb in einer in ihrem Namen herausgegebenen Erklärung der Sprecher des Präsidialamtes Martin Strižinec. Die Präsidentin werde daher Huliak nicht ernennen und bitte den Ministerpräsidenten um die Nominierung eines neuen Kandidaten.

Matúš Kostolný, Redakteur der generell auf der Linie der Präsidentin liegenden Tageszeitung „Denník N“, reagierte verwundert auf diese Entscheidung: „[Die Präsidentin] argumentiert, es sei ihre Pflicht zu gewährleisten, dass die Verfassungsorgane ordnungsgemäß funktionieren, während Huliak nichtmals dem Anschein nach dieser Anforderung entspreche. Bei Huliak steht außer Frage, dass in seiner Person Inkompetenz, Neigung zu Verschwörungstheorien und Aggressivität zusammentreffen. Ich verstehe jedoch nicht, wieso die Präsidentin mit demselben Argument nicht auch die Nominierung von Robert Kaliniák zurückgewiesen hat“, schrieb Kostolný in seiner Zeitung.

Für den politischen Kommentator Marián Leško ist dagegen die Handlungsweise der Präsidentin völlig nachvollziehbar. Im einem im selben Blatt abgedruckten Gespräch mit Monika Tódová, der wohl von den Mitgliedern und Anhängern der neuen Regierungskoalition am meisten gehassten Journalistin der Slowakei, erklärt er, hätte die Präsidentin die Nominierung Ficos oder Kaliniáks abgelehnt, dann hätte sie damit zum Ausdruck gebracht, ihre Ansichten seien wichtiger und von höherem Wert als die Entscheidung der Wähler der Slowakischen Republik. Andererseits hatte Leško selbst noch kurz zuvor auf Artikel 2 der Verfassung verwiesen, der bestimmt, dass die Staatsmacht zwar von den Bürgern herrühre, sie aber direkt von diesen oder indirekt durch gewählte Amtsinhaber ausgeübt werden könne.

…und der Widerstand der SNS

Die SNS hatte anfangs jedoch nicht die Absicht, auf ihren Kandidaten zu verzichten. Sie ging so weit, am 23. Oktober eine Protestkundgebung vor dem Präsidentenpalais in Bratislava zu veranstalten.

Fico sagte, er sei in dieser Situation bereit, das Umweltministerium vorübergehend jemand anderem anzuvertrauen. Die Präsidentin lehnte diesen Vorschlag jedoch ab und verlautbarte, sie werde auf den Namen des neuen Kandidaten für die Position des Umweltministers warten. Erst daraufhin werde sie den Termin für die Ernennung der neuen Regierung bekanntgeben.

Die Präsidentin wusste nur zu gut, dass, sobald Fico erst einmal Ministerpräsident wäre, ihre Rolle bei der Regierungsbildung zu einer bloß protokollarischen werden würde. Artikel 111 der slowakischen Verfassung lautet: „Auf Antrag des Ministerpräsidenten beruft und abberuft der Präsident der Slowakischen Republik die Mitglieder der Regierung und überantwortet ihnen die Leitung der Ministerien.“ Solange es keine gegenteilige Auslegung durch das Verfassungsgericht gibt, kann dies so interpretiert werden, dass die Präsidentin zur Berufung, Abberufung und Einsetzung von Ministern auf Antrag des Regierungschefs verpflichtet ist. Nur, wie Leško feststellt, hätte sie das zu einer bloßen Hauptnotarin degradiert.

Schließlich gab jedoch die SNS nach, zog die Kandidatur Rudolf Huliaks zurück und benannte an seiner Stelle Tomáš Taraba. Daraufhin kündigte die Präsidentin an, sie werde die neue Regierung ernennen. Am Mittwoch, den 25. Oktober, versammelte sich der Nationalrat, Peter Pellegrini wurde zu ihrem Präsidenten gewählt. Um 14:55 Uhr unterbrach er die Sitzung für eine halbe Stunde, und Robert Fico fuhr gemeinsam mit den designierten Ministern zum Präsidentenpalais, wo Zuzana Čaputová seine Regierung ernannte. Anschließend traf sich das neue Kabinett zu seiner ersten Sitzung, berief die bisherigen Staatssekretäre (stellvertretenden Minister) in allen Ressorts ab und ernannte neue.

Am Donnerstag befand sich der neue slowakische Regierungschef bereits zum Gipfel des Europäischen Rats in Brüssel.

Peters Wahl

Als sich im Jahr 2020 Peter Pellegrini von seinem langjährigen Chef trennte und eine neue Partei gründete, machte er den Eindruck, dies sei eine unumkehrbare, endgültige Entscheidung, die er wirklich sehr gründlich durchdacht hatte. „Ich kann mir nicht vorstellen, im Tandem mit Robert Fico weiterzumachen. Wir leben in zwei unterschiedlichen Welten, die nicht miteinander zu vereinbaren sind. Es sind zwei verschiedene Welten – die Welt der Vergangenheit und die Welt der Zukunft“, zitierte unlängst die slowakische Tageszeitung „Pravda“ Pellegrinis Äußerung von vor drei Jahren.

Wieso also hat sich der Hlas-Vorsitzende nunmehr für die Vergangenheit entschieden? „Pellegrini hat schlicht beschlossen, kein Risiko einzugehen. Gewiss ist es besser, die ganzen vier Jahre Parlamentspräsident zu sein, als Ministerpräsident nur für ein paar Monate“, sagt der Politologe Radoslav Štefančík in der „Pravda“.

Der bereits zitierte Marián Leško vertritt eine andere Auffassung. Demnach hätte Pellegrini „ganz gelassen“ Ministerpräsident einer Koalition aus PS, Hlas, KDH und SaS werden können. Weil er das ablehnte, habe es dafür, so Leško, keine politischen, sondern außerpolitische Gründe gegeben.

Einfach gesagt, was Leško hier unterstellt ist, dass Fico etwas gegen Pellegrini in der Hand hat. Leško ist nicht der erste, der eine solche Vermutung äußert. Eine verbreitete Meinung ist, Hlas sei in Wahrheit eine Neuauflage von Smer. Und dass der Parteiaustritt von „Pellegrini’s Eleven“ ein taktischer Kunstgriff gewesen sei, um mehr Parlamentsmandate für „Smerohlas“ zu gewinnen. Im einen wie im anderen Fall ist das Ergebnis dasselbe: Fico und Pellegrini, Smer und Hlas sind zusammen, und Šimečka hatte von Anfang an keine Chance, eine regierungsfähige Koalition zu bilden.

Roberts Wahl

Am 11. Oktober unterschrieben die Vorsitzenden von Smer, Hlas und SNS ihre Verständigungsvereinbarung, in der sie die Bildung einer Koalition ankündigten und zusicherten, Parlamentspräsident werde der von Hlas gestellte Kandidat, und teilten die Regierungsstellen untereinander auf. Ferner sicherten sie zu, die slowakische Außenpolitik werde weiterhin darauf orientiert sein, die Mitgliedschaft der Slowakischen Republik in der Europäischen Union, der NATO und anderen wichtigen internationalen Organisationen fortzusetzen, „bei gleichzeitiger voller Wahrung der Souveränität und der nationalstaatlichen Interessen der Slowakischen Republik“.

Dieser Vorbehalt ist nicht nur eine rhetorische Floskel. Denn während der Wahlkampagne wurde Ficos Äußerung notorisch, die Ukraine werde von der Slowakei nicht eine Patrone mehr erhalten. Nach den Wahlen bekräftigte er, es werde keine militärische, sondern nur noch humanitäre Hilfe geben. In der neusten Auflage seines Videoblogs „Was nicht mehr in die Pressekonferenz passte“, der allerdings trotz englischer Untertitel kaum internationale Reichweite hat, war Fico sehr viel offener.

Die englischen Untertitel wurden gerade deshalb eingeführt, weil diese Episode von der Entscheidung der Sozialdemokratischen Partei Europas (SPE) handelte, die Mitgliedschaft der beiden slowakischen „sozialdemokratischen“ Parteien Smer und Hlas auszusetzen. Die Gründe dafür waren dreierlei: die Einstellung zur LGBT+-Community, die prorussischen Ansichten der beiden Parteien und ihre Ablehnung der Militärhilfe für die Ukraine, ferner die Bildung einer Koalition mit der SNS, die nach Auffassung der SPE eine nationalistische und rechtsextreme Partei ist.

„Es erschöpft mich schon, allen ringsum immer wieder erklären zu müssen, dass es für den Konflikt in der Ukraine keine militärische Lösung gibt“, sagte Fico zu dem zweiten dieser Vorwürfe. „Dass die Europäische Union der Ukraine keine Waffen schicken, sondern einen realistischen Friedensplan vorlegen sollte.“ Und er setzte hinzu: „Dass die Wurzeln des Kriegs in der Ukraine in das Jahr 2014 zurückreichen, als ukrainische Faschisten Zivilisten russischer Nationalität ermordeten.“ Er betonte: „Smer verurteilte [nach dem 24. Februar 2022] den Gebrauch militärischer Gewalt durch Russland. So wie wir es im Falle des amerikanischen Angriffs auf den Irak getan haben, als Smer sogar beschloss, die slowakischen Soldaten zurückzuziehen.“

„Ihr habt das in Brüssel durcheinandergebracht, weil ihr die, die vom Frieden reden, als gefährlich anseht, und diejenigen, die den Krieg unterstützen, als Friedensbringer auf Händen tragt“, sagte er mit Blick auf die früheren Genossen aus der SPE.

Was weiter?

Das US-amerikanische Blatt „Politico“ schrieb Mitte Oktober, Fico habe seine Abneigung gegen die Ukraine während der Gaskrise von 2009 entwickelt, als er nach Kiew flog, um die Wiederaufnahme der Gaslieferungen an die Slowakei auszuhandeln, aber von der damaligen Ministerpräsidentin Julija Tymoschenko brüskiert wurde.

Vielleicht trifft das zu. Doch wie Marián Leško in seinem Gespräch mit „Denník N“ in Erinnerung bringt, befürwortete Fico am 25. Februar 2022 eine Erklärung des Nationalrats zum Angriff Russlands auf die Ukraine und verurteilte diesen als „unprovoziert, unbegründet und illegal“. Leško weiter: „Er betonte, es handle sich um einen eklatanten Bruch des Völkerrechts, er verlangte von Russland die sofortige Einstellung der Militäroperation und den Rückzug aller Streitkräfte, bekundete seine volle Unterstützung für die Ukraine und stellte heraus, die Ukraine kämpfe für die Werte von Freiheit, Demokratie, politischer Unabhängigkeit, staatlicher Souveränität und territorialer Integrität, die auch für die Slowakei zentral sind.“

Somit sieht es so aus, als habe sich Fico an die öffentliche Meinung angepasst, die sich im Verlauf von anderthalb Jahren Russland zugeneigt hat. Das hat eine Umfrage von Globsec Trends 2023 überaus deutlich gemacht, der zufolge bereits im Frühjahr 51 Prozent der Slowaken die Verantwortung für den Krieg entweder dem Westen zuschrieb, der Russland provoziert habe, oder der Ukraine selbst, welche die russischsprachige Bevölkerung verfolgt habe, während nur vierzig Prozent die Verantwortung für den russischen Angriff Russland selbst zuschrieben.

Selbst in Ungarn waren 54 Prozent der Befragten der Meinung, die Verantwortung liege bei Russland. Ähnlich wie in der Slowakei äußerten sich sonst nur noch die Respondenten in Bulgarien, dem innerhalb der Europäischen Union kulturell und aus historischen Gründen wohl Russland am nächsten stehenden Land. Aber auch dort war mit 44 Prozent die Anzahl derer höher als in der Slowakei, die von der Schuld Russlands überzeugt waren, während die Anzahl derer, die den Westen und die Ukraine beschuldigten, mit 47 Prozent niedriger lag.

Woraus hervorgeht, dass der neue Regierungschef der Slowakei einfach sehr genau darauf hört, was seine Wähler meinen, und das sagt, was diese hören wollen. Als sie noch vom Fortschritt innerhalb Europas träumten, brachte er das Projekt zu Ende, das seine politischen Gegner begonnen hatten, und ließ sein Land der Eurozone beitreten. Aber jetzt, da die Begeisterung der Slowaken für die EU nachgelassen hat, gehört er zu den schärfsten Kritikern Brüssels. Wodurch Fico nicht nur bei Fragen des Verhältnisses zu Russland und zur Ukraine so wahrgenommen wird, wie Viktor Orbán, Ministerpräsident des Nachbarlandes Ungarn.

Und daher ist von Robert Fico auch weiterhin zu erwarten, dass er versuchen wird, das zu tun, was die Bevölkerungsmehrheit in der Slowakei will. Und ganz wie Viktor Orbán wird er zwischen dem Westen und Russland in einer Weise lavieren, dass er diejenigen nicht gegen sich aufbringt, denen er seine Rückkehr an die Macht verdankt, aber auch, dass er seinen finanziellen Rückhalt nicht verliert, nämlich vor allem den Zugang zu europäischen Transferleistungen.

Seine Erklärung, die Militärhilfe für die Ukraine aussetzen zu wollen, wird ihm noch ernsthafte Sorgen bereiten. Doch vielleicht wird er sich aus dieser Klemme befreien, denn solange sein Land Mitglied von Europäischer Union und NATO ist, kann es den auf dem Markt tätigen Unternehmen nicht den Verkauf von Waffen und Munition untersagen, etwa dem Produzenten der Haubitze Zuzana 2, der Firma Konštrukta Defence aus Dubnica/Dubnitz an der Waag. Umso mehr, als die Mitarbeiter von Konštrukta, darunter sicher viele Wähler von Smer, lebhaft an dem Umsatz ihres Unternehmens interessiert sind.

 

Aus dem Polnischen von Andreas R. Hofmann

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Aureliusz M. Pędziwol

Aureliusz M. Pędziwol

Aureliusz M. Pędziwol, Journalist, arbeitet mit der polnischen Redaktion der Deutschen Welle zusammen. Er war 20 Jahre lang Korrespondent des Wiener WirtschaftsBlattes und für zahlreiche andere Medien tätig, darunter für die polnischen Redaktionen des BBC und RFI.

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